Embryonalentwicklung in Zellkultur



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09.02.2021 13:15

Embryonalentwicklung in Zellkultur

MHH-Forschungsgruppe kann erstmals mit menschlichen Stammzellen die frühe Herzentwicklung in der Zellkulturschale nachbilden

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Um frühe Stadien in der Embryonalentwicklung in der Zellkulturschale zu untersuchen, nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sogenannte humane pluripotente Stammzellen (hPSC). Das sind Zellen mit besonderen Eigenschaften, die sich unbegrenzt vermehren lassen und in der Lage sind, jeden beliebigen Zelltyp auszubilden. Mit Hilfe biologischer oder chemischer Signale lassen sich die hPSC zum Beispiel so steuern, dass sie ausschließlich reine Herzmuskelzellen bilden. Diese können dann gezielt zu einem Gewebe zusammenwachsen –ein wichtiges Instrument für die Entwicklung neuer Therapien beispielsweise zur Reparatur geschädigter Herzen mit Hilfe der regenerativen Medizin. Wie jedoch die vielen verschiedenen Zelltypen bei der Herzentwicklung Schritt für Schritt entstehen und durch Selbstorganisation komplexe Organstrukturen bilden, konnte bislang nicht in der Zellkulturschale nachgebildet werden. Jetzt ist es einem Forschungsteam um Dr. Robert Zweigerdt, Zellbiologe an den Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und künstliche Organe (LEBAO) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), erstmals gelungen, den kompletten Weg bis zur frühen Stufe eines menschlichen Herzens in Zellkultur nachzuvollziehen. Die Forschungsarbeit ist in der renommierten Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht.

Herzorganoide enthalten auch Anlagen für Blutgefäße, Leber und Lunge

„Wir haben die hPSC in einem Hydrogel aus Proteinen zu dreidimensionalen Zellaggregaten wachsen lassen und die gesteuerte Entwicklung in sogenannte Herzorganoide beobachtet“, sagt Dr. Lika Drakhlis, Erstautorin der Studie. Damit die Zellen überhaupt ein frühes Herzstadium ausbilden können, mussten die Wissenschaftler ein neues Differenzierungsprotokoll entwickeln. Diese spezielle Versuchsanleitung mit exakten Vorgaben zur Aufzucht der Organoide, die aus mindestens sieben verschiedenen, klar strukturierten Zell- und Gewebetypen bestehen, gab es für das Herz bis dahin nicht. Durch die Kombination zahlreicher mikroskopischer und molekularer Methoden konnten die Wissenschaftler dann zeigen, dass sich die bis zu zwei Millimeter großen Zellklumpen genauso entwickeln wie aus der Herzentwicklung im Embryo bekannt ist. „In dieser frühen Entwicklungsphase besteht das Organoid aus drei becherförmigen Schichten und umfasst die Anlagen des Herzens, der Vorläufer für Leber und Lunge und der Blutgefäße, die sich alle gegenseitig beeinflussen“, erklärt die Erstautorin.

Neue Wege zur Behandlung von Herzfehlern und Medikamententests

Die Erkenntnisse sind jedoch nicht nur für die Wissenschaft zur Aufklärung der gesunden Organentwicklung interessant. Auch Fehlbildungen durch künstliche oder patienteneigene Gendefekte lassen sich in der Zellkulturschale untersuchen. „Das ist wichtig, um angeborene Herzerkrankungen besser verstehen und dann auch besser behandeln zu können“, erklärt Dr. Zweigerdt. Zudem eignen sich die Organoide, um pharmakologische Wirkstoffe zu testen. „Die Wirkungen und Nebenwirkungen neuer oder weiterentwickelter Medikamente lassen sich in diesem neuen Modell ebenfalls untersuchen; konkrete Studien dazu haben wir gerade begonnen”, betont der Studienleiter.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Robert Zweigerdt, zweigerdt.robert@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-8773.

Die Originalarbeit „ Human heart-forming organoids recapitulate early heart and foregut development” finden Sie unter: https://www.nature.com/articles/s41587-021-00815-9


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW