Auf die Faltung kommt es an



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27.04.2023 17:01

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Auf die Faltung kommt es an

Forschende am Helmholtz-Institut Würzburg finden mögliche neue antivirale Angriffspunkte bei HIV-1

Ribonukleinsäure (RNA) faltet sich zu komplexen Strukturen, die es ihr ermöglichen, mit anderen Molekülen in der Zelle zu interagieren. Kleinste Unterschiede in der Faltung können bei HIV-1 entscheidend dafür sein, ob virale RNA „verpackt“ wird und sich die Viren somit vermehren können. Dies haben jetzt Forschende am Helmholtz-Institut Würzburg herausgefunden, indem sie eine auf RNA-Strukturen fokussierte Methode mittels neuer Sequenzierungstechnologie weiterentwickelt haben. Ihre Erkenntnisse könnten dazu beitragen, neue antivirale Mittel zu entwickeln, und wurden heute im Fachmagazin Nature Methods veröffentlicht.

HI-Viren (HIV) sind weltweit für Millionen von Infektionen verantwortlich. Die Erreger verursachen die Immunschwächekrankheit AIDS, die seit Ausbruch der HIV-Pandemie in den 1980er Jahren zu beinahe 40 Millionen Todesfällen geführt hat. Seit Dekaden forschen Wissenschaftler:innen an möglichen antiviralen Therapien, und inzwischen stehen den Infizierten auch wirksame Virostatika zur Verfügung. Allerdings hat erst die Kombination mehrerer, auf unterschiedliche Angriffspunkte gerichtete Medikamente die HIV-Therapie revolutioniert, und es werden laufend neue Arzneien benötigt, um Resistenzen zu überwinden.

„In unserer Studie stellen wir ein mögliches neues antivirales Ziel vor, mit dessen Hilfe wir HIV und anderen potenziell zoonotischen Retroviren einen weiteren Schritt voraus sein können“, sagt Redmond Smyth. Smyth ist Gruppenleiter am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg, einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, und hat die aktuelle Studie geleitet.

„Unsere neue Methode kann die strukturellen Variationen zwischen sehr ähnlichen RNAs unterscheiden – insbesondere auch solche, die durch Spleißen entstanden sind“, erklärt Patrick Bohn, Doktorand in der Forschungsgruppe von Smyth. Der Wissenschaftler ist einer der beiden Erstautor:innen der Studie, die heute im Fachmagazin Nature Methods erschienen ist.

Spleißen ist ein biologischer Prozess, der gewissermaßen den in der Vorform einer Boten-RNA enthaltenen genetischen Bauplan einer Zelle präzisiert, damit dieser anschließend in neue Proteine übersetzt werden kann. „In höheren Organismen sorgt Spleißen für Proteinvielfalt, aber unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es auch zur biologischen Funktion beitragen kann, indem es die RNA-Struktur verändert“, erklärt Patrick Bohn.

Sehr ähnlich und doch anders
Möglich wurde diese Erkenntnis durch die Verbesserung einer Technologie, mit der gemessen werden kann, wie RNA in der Zelle gefaltet ist. Viele Forschende haben bereits versucht, die Strukturen von gespleißter und ungespleißter HIV-1-RNA zu untersuchen, allerdings wurde dies meist im Reagenzglas (in vitro) durchgeführt. Während Letzteres nur kurze Sequenzierungsabschnitte erzeugt, haben die Wissenschaftler:innen am HIRI ihre neue Methode angewandt, um zu untersuchen, wie das HIV-1-Virus seine RNA in voller Länge für die Verpackung in virale Partikel auswählt.

„Wir haben herausgefunden, dass sich gespleißte RNA in ihrem natürlichen zellulären Kontext anders faltet als im Reagenzglas – eine Entdeckung, die zeigt, wie wichtig es ist, biologische Prozesse sowohl in einer reduzierten Versuchsanordnung (in vitro) als auch in ihrer komplexen nativen Umgebung zu untersuchen“, sagt Anne-Sophie Gribling-Burrer, Postdoc in der Forschungsgruppe von Smyth und Co-Erstautorin. In der Folge zeigte sich, warum gespleißte Versionen der HIV-1-RNA nicht verpackt wurden. „Gespleißte RNAs besitzen nicht sämtliche Strukturen, die für die virale Verpackung erforderlich sind. Die Veränderung ihrer Struktur stellt also einen Mechanismus der Verpackungsselektivität dar und nimmt damit Einfluss auf die Vermehrung der Viren“, erklärt Anne-Sophie Gribling-Burrer.

„Das Verständnis dieses Mechanismus ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung neuer antiviraler Mittel gegen ein breites Spektrum an Retroviren“, sagt Redmond Smyth. Darüber hinaus erhoffen sich die Wissenschaftler:innen, dass ihre Methode in Zukunft für zahlreiche Molekularbiologen in ganz unterschiedlichen Bereichen nützlich sein kann.

Fachlicher Hintergrund:
Die einzelsträngige RNA kann sich durch Basenpaarung in komplexe Strukturen falten. Genomweite Messungen der RNA-Struktur können mithilfe von Reagenzien durchgeführt werden, die mit ungepaarten Basen reagieren und zu Addukten führen, die durch Mutationsprofile auf Next-Generation-Sequenziermaschinen identifiziert werden können. Ein Nachteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die so generierten kurzen Sequenzen selten spezifischen Transkript-Isoformen zugeordnet werden können. Folglich werden die Informationen als Populationsdurchschnitt erfasst, was jedoch die zugrunde liegende strukturelle Landschaft in den Regionen verwischt, die in verschiedenen Transkripten vorkommen.

In ihrer Studie stellen Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Instituts Würzburg Nanopore-Dimethylsulfat-Mutationsprofilierung (Nano-DMS-MaP) vor, eine Methode, die isoformaufgelöste Strukturinformationen von sehr ähnlichen RNA-Molekülen liefert.

Über HIV:
Das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) zählt zur großen Familie der Retroviren. Diese sind behüllt, und ihre Erbinformation besteht aus einzelsträngiger Ribonukleinsäure (RNA, von engl. ribonucleic acid). Bislang sind zwei Virustypen bekannt, die den Menschen infizieren: HIV-1 und HIV-2. Vorliegende Studie befasst sich mit HIV-1 – der Variante, die mehr als 90 Prozent aller Infektionen ausmacht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben die Infektionen ihren Ursprung in einer Zoonose: Zoonotische Viren sind zwischen Mensch und Tier wechselseitig übertragbare Erreger.

Spleißen:
Spleißen ist ein Prozess, bei dem die nicht codierenden Abschnitte der Gene – sogenannte Introns, die nicht zur Proteinherstellung benötigt werden – aus der ursprünglichen Boten-RNA entfernt werden. Zurück bleiben nur die codierenden Segmente, Exons genannt, die dann wieder miteinander verbunden werden. Durch das Spleißen entsteht somit eine reife Boten-RNA, also der Bauplan für neue Proteine, der für die Proteinsynthese bereit ist.

Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung:
Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) wurde im Mai 2017 als gemeinsame Einrichtung des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gegründet. Mit Sitz auf dem Campus des Würzburger Uniklinikums widmet sich das HIRI als weltweit erstes Institut seiner Art der Rolle von Ribonukleinsäuren (RNAs) in Infektionsprozessen. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden in einem integrativen Forschungsansatz neue Therapieansätze entwickelt und diese durch Entwicklung pharmazeutischer Anwendungsformen klinisch anwendbar gemacht. http://www.helmholtz-hiri.de

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. http://www.helmholtz-hzi.de

Diese Pressemitteilung finden Sie auch auf unserer Homepage unter dem Link https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/news-detail/article/complete/auf-….

Pressekontakt:
Dr. Britta Grigull
Leiterin Kommunikation
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI)
+49 931 31 81801
presse@helmholtz-hiri.de


Originalpublikation:

Bohn P, Gribling-Burrer A-S, Ambi UB, Smyth RP (2023)
Nano-DMS-MaP-seq allows isoform specific RNA structure determination
Nature Methods, DOI: 10.1038/s41592-023-01862-7
https://www.nature.com/articles/s41592-023-01862-7


Bilder

Anne-Sophie Gribling-Burrer, Redmond Smyth, Patrick Bohn und Uddhav Ambi (v.l.n.r.) haben eine neue Schwachstelle bei HIV entdeckt.

Anne-Sophie Gribling-Burrer, Redmond Smyth, Patrick Bohn und Uddhav Ambi (v.l.n.r.) haben eine neue
Luisa Macharowsky
HIRI/Luisa Macharowsky


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW