26.03.2020 10:00
Färbezyklen mit Schwarzen Löchern – Ultraschnelles wiederholtes Färben und Entfärben von Zellproben zur Tumordiagnostik
Bei der Behandlung eines Tumors spielt auch seine Mikroumgebung eine wichtige Rolle. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellen Wissenschaftler eine Methode vor, mit der Zellproben aus Tumoren und Mikroumgebung in rascher Folge in weniger als einer Stunde mit fluoreszierenden Antikörpern gefärbt, entfärbt und erneut gefärbt werden können – durch Anknüpfen eines „Black Hole Quenchers“ (Fluoreszenzlöschers) per „Klick-Chemie“.
Um einen Tumor effektiv und gezielt bekämpfen zu können, ist es wichtig, die Zellen der Mikroumgebung sowie den Tumor-infiltrierende Immunzellen genau zu charakterisieren. Bisher konnten Analysen dieser dynamischen Änderungen mit konventionellen Biopsien und Gewebeschnitten Tagen oder Wochen benötigen oder fanden vor einer Behandlung gar nicht statt. Eine alternative Methode ist die Feinnadelbiopsie, bei der nur wenige Tausend Zellen an verschiedenen Stellen des Tumors und seiner Umgebung entnommen werden. Sie birgt weniger Risiken und ist schneller, da sie ohne Einbetten und Anfertigen von Dünnschnitten auskommt. Für eine repräsentative Einschätzung der Immunzellen-Populationen in der Mikroumgebung des Tumors müssen jedoch viele verschiedene Färbungen durchgeführt werden. Da die Zellzahl so gering ist, muss dieselbe Probe immer wieder gefärbt, entfärbt und erneut gefärbt werden. Für konventionelle harsche Entfärbungen sind die Zellen jedoch viel zu empfindlich und die Prozeduren würden viel zu lange dauern.
Das Team um Jonathan Carlson und Ralph Weissleder vom Massachusetts General Hospital Research Institute sowie der Harvard Medical School (Boston, MA, USA) hat jetzt eine ultraschnelle, hocheffiziente und dabei sanfte zyklische Methode für ein Multiplex-Protein-Profiling einzelner Zellen entwickelt, mit der eine Vielzahl verschiedener Färbungen gelingt. Statt den Farbstoff abzuspalten oder zu bleichen, wird die Fluoreszenz des Farbstoffs einfach mit einem sogenannten Black Hole Quencher „ausgeknipst“. Black Hole Quencher absorbieren die Energie eines Fluoreszenzfarbstoffs über das komplette sichtbare Spektrum und wandeln sie in Wärme um, sobald sie nah genug herankommen, und löschen so das Leuchten des Farbstoffs aus.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Und so geht’s: An Antikörper, die charakteristische Marker-Moleküle der Zellen spezifisch erkennen, wird ein fluoreszenzierender Farbstoff über ein Verbindungsstück gebunden, das eine trans-Cyclookten-Gruppe trägt. Ist der gesuchte Marker in der Probe, bindet der Antikörper daran und die Fluoreszenz kann detektiert werden. Dann wird der Quencher zugegeben. Er trägt eine Tetrazin-Gruppe. Über das Tetrazin und das trans-Cyclookten wird der Quencher ganz einfach wie über einen Druckknopf mit einem „Klick“ angeknüpft (daher der Name Klick-Chemie für diesen Reaktionstyp). Der Quencher wird so ortsspezifisch und damit effizient und extrem schnell in die Nähe des Farbstoffs gebracht und löscht dessen Fluoreszenz sofort aus. Bemerkenswert ist die Schnelligkeit der Klick-Reaktion, die um drei Größenordnungen rascher lief als erwartet. Grund könnte die starke Wechselwirkung zwischen Fluoreszenzfarbstoff und Quencher sein.
Nach der Fluoreszenz-Löschung kann sogleich mit dem nächsten fluoreszierenden Antikörper gefärbt werden. Die Forscher konnten innerhalb einer Stunde zwölf verschiedene Marker-Moleküle in einer Probe färben. So könnten die Immunzellen-Populationen in Tumoren rasch charakterisiert werden, um den geeignetsten Therapieansatz auszuwählen.
Angewandte Chemie: Presseinfo 06/2020
Autor: Ralph Weissleder, Massachusetts General Hospital (USA), https://csb.mgh.harvard.edu/weissleder
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/ange.201915153
Weitere Informationen:
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch