17.03.2020 11:08
Prurigo nodularis: Studie weist den Weg zu Therapien für Hautkrankheit mit chronischem Juckreiz
Ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Sonja Ständer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat in einer klinischen Studie herausgefunden, dass der Antikörper Nemolizumab als mögliche Therapie gegen die chronisch juckende Hautkrankheit Prurigo nodularis eingesetzt werden könnte. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ erschienen.
Nemolizumab – dieser Antikörper könnte die neue Lösung für die Hautkrankheit Prurigo nodularis sein, deren Hauptsymptom der chronische Juckreiz ist. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Sonja Ständer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, den USA, Österreich, Frankreich, Polen und der Schweiz untersuchten etwaige Behandlungsstrategien für die seltene Krankheit – und haben vermutlich einen Weg gefunden, den Juckreiz der Betroffenen zu lindern. Die Forschungsarbeit, die in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ erschienen ist, gilt als Wegbereiter für weitere Forschungen zu Prurigo nodularis und zur Wirkung des Antikörpers Nemolizumab.
Prurigo nodularis ist eine seltene, wenig erforschte Hautkrankheit. Der ständige Juckreiz – im Fachjargon spricht man von Pruritus – verleitet die Betroffenen häufig dazu, diesem durch Kratzen entgegenzutreten. Es kommt zu einem Teufelskreis, denn durch das Kratzen entstehen auf der Haut Knötchen, die noch mehr Juckreiz nach sich ziehen. Die Behandlung dieser Knötchen kann Monate oder gar Jahre dauern und erfordert viel Mitarbeit der Patienten. Unter allen Pruritus-Erkrankungen gilt Prurigo nodularis als die „Maximalvariante“.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Meistens sind Erwachsene über 50 Jahren betroffen, davon überwiegend Frauen. Bisher wurden die Ursachen und die Entstehung dieser Hautkrankheit kaum erforscht, mögliche Therapieansätze sind fachübergreifend und komplex“, erläutert Prof. Sonja Ständer, leitende Oberärztin an der münsterschen Uni-Hautklinik, Leiterin des dortigen Kompetenzzentrums Chronischer Pruritus und Erstautorin der Studie. Gemeinsam mit ihren internationalen Kollegen konnte die Wissenschaftlerin jetzt erstmals eine bedeutende Abheilung der Prurigo nodularis, verbunden mit einer starken Reduktion des Juckens, durch die Behandlung mit Nemolizumab nachweisen.
Die Wirkung dieses Antikörpers wurde in einer Doppelblindstudie getestet: Bei einer solchen wissen weder die Versuchsleiter noch die Studienteilnehmer über ihre Gruppenzugehörigkeit Bescheid. Während eine Gruppe mit Nemolizumab behandelt wurde, erhielt die Kontrollgruppe ein Placebo. Die juckreizlindernde Wirkung von Nemolizumab war in der Forschung bereits bekannt – allerdings nur in Bezug auf Neurodermitis-Patienten, nicht bei Prurigo nodularis. Der Antikörper blockiert den Rezeptor des Proteins Interleukin 31, der als Hauptverursacher von Juckempfinden bei vielen Hautkrankheiten gilt. Dass dies auch auf Prurigo nodularis übertragen werden kann, bewiesen die Wissenschaftler durch die über zwölf Wochen laufende Studie.
Bereits nach dem ersten Monat stellten die Forscher erste Ergebnisse fest: Die Versuchsteilnehmer, die mit Nemolizumab behandelt wurden, zeigten eine über 50-prozentige Verringerung des Juckens. Am Ende der Laufzeit waren 38 Prozent der Betroffenen ganz oder nahezu geheilt. Komplett ohne Nebenwirkungen verlief die Behandlung nicht: Die Teilnehmer klagten teilweise über Bauchschmerzen oder Durchfall. Die Forschergruppe sieht daher noch größer angelegte Langzeitstudien als notwendig an. Diese sollen untersuchen, wie sicher die Behandlung mit Nemolizumab langfristig ist – und ob sie als reguläre Therapie für Betroffene in Frage kommt.
Förderung:
Die Studie wurde vom Unternehmen Galderma unterstützt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sonja Ständer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Phone: +49 (0) 251/83-57470
E-Mail: sonja.staender@uni-muenster.de
Originalpublikation:
S. Ständer et al. (2020): Trial of Nemolizumab in Moderate-to-Severe Prurigo Nodularis. New England Journal of Medicine; DOI: 10.1056/NEJMoa1908316
Weitere Informationen:
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1908316#article_references Originalpublikation in „New England Journal of Medicine“
https://www.ukm.de/index.php?id=kompetenzzentrum_pruritus Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus (KCP)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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