20.02.2020 17:21
Psychiatrie – Fünf klare Muster
Ein Team um LMU-Psychiater Nikolaos Koutsouleris konnte Patienten mit vorwiegend bipolaren oder schizophrenen Diagnosen in fünf neue Untergruppen von Psychosen einteilen. Dies könnte künftig eine gezieltere und wirksamere Behandlung ermöglichen.
Psychosen sind in der Psychiatrie immer noch unscharf definiert. Bislang bezeichnen Ärzte Patienten auf der Grundlage gemeinsamer Muster in der psychiatrischen Vorgeschichte, bei den Symptomen und dem Krankheitsverlauf meist entweder als bipolar oder als schizophren. Diese beiden Diagnosen sind sowohl für die klinische Praxis wie für die Forschung zentrale Kategorien, obwohl die Krankheitsverläufe und die Symptome bei genauerer Betrachtung sehr viel heterogener sind und es auch überlappende genetische Risikoprofile gibt. Im Rahmen einer großen Kohortenstudie konnte eine Forschergruppe um den LMU-Psychiater Nikolaos Koutsouleris nun Patienten in fünf neue Untergruppen von Psychosen mit unterschiedlichen Merkmalen einteilen und so das Krankheitsbild „Psychose“ feiner zeichnen.
Die Forscher erfassten zunächst bei 1223 Patienten mit den klassischen Psychose-Diagnosen insgesamt 188 verfügbare Variablen zur Krankheitsgeschichte, zu den Symptomen, zur Leistungsfähigkeit und Kognition. Die Studie sollte nun klären, ob sich unter Verwendung dieser hochdimensionalen klinischen Daten bei der Grunddiagnose „Psychose“ klinische Untergruppen finden lassen. Neu war hier der generelle Ansatz: Die Bildung von Clustern war datengetrieben. Computer sollten mit Methoden des Maschinellen Lernens im Datenwust klare Muster der Erkrankungen erkennen, also eine Art verborgene Struktur hinter den Daten. Mit Erfolg, wie LMU-Psychiater Dominic Dwyer sagt, Erstautor der Untersuchung: „Die Studie zeigt, dass wir den Computer nutzen können, um zu überdenken, wie Menschen mit etablierten Psychose-Symptomen diagnostiziert werden.“
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
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Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Datenanalyse lieferte fünf Untergruppen. „Diese Untergruppen wiesen neben differenzierten Symptom- und Funktionsverläufen auch trennbare klinische Fingerabdrücke auf“, sagt Studienleiter Nikolaos Koutsouleris. Eine der Untergruppen war zudem aufgrund ihres Scores für das Bildungsniveau zu unterscheiden, was einen Zusammenhang mit einem potenziellen Risikofaktor für psychotische Erkrankungen aufzeigt.
Die Forscher verwendeten ein Verfahren, das sich „nicht-negative Matrixfaktorisierung“ nennt. Dabei wurden die hohe Anzahl von 188 Variablen auf fünf Kernkomponenten reduziert, sogenannte Faktoren. Diese sind in der Lage, verborgene Beziehungen zwischen den Variablen zusammenzufassen und zu erklären. „Die Faktorbewertungen jeder Person lassen sich dazu einsetzen, diese in Gruppen einzuteilen, die ähnliche Bewertungen haben“, erklärt Dwyer. So entstanden die fünf Untergruppen „hochfunktionelle affektive Psychose“, „suizidale Psychose“, „depressive Psychose“, hochfunktionelle Psychose“ und „schwere Schizophrenie“.
Jede der Gruppen lasse sich auf Datenbasis klar von anderen Gruppen unterscheiden, so Koutsouleris. Patienten der Gruppe 5 beispielsweise haben als Kernfaktoren eine Schizophrenie-Diagnose, einen deutlich niedrigeren Bildungsgrad, geringe verbale Intelligenz, waren meist männlich und hatten ausgeprägte Symptome einer Psychose, nicht aber einer Depression oder Manie. Bei Gruppe 2 wiederum war die Suizidneigung stark ausgeprägt. Die Einteilung wurde zudem erfolgreich bei einer unabhängigen Testgruppe von 458 Personen bestätigt.
Bisherige Diagnosen basierten vor allem auf sichtbaren biologischen Markern, nicht auf verborgenen Mustern von Daten. „Unsere Analysen legen nahe, dass eine unvoreingenommene, datengesteuerte Clusterbildung helfen kann, das Risiko von Patienten besser zu erfassen mit dem Ziel, die Prognose- und Behandlungspräzision zu erhöhen“, sagt Dwyer. Die Psychose-Untergruppen könnten helfen, die Behandlung genauer auf die Patienten zuzuschneiden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Nikolaos Koutsouleris
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU,
Koordinator des EU-FP7 Projekts PRONIA
Email: Nikolaos.Koutsouleris@med.uni-muenchen.de
Telefon: +49 89-4400 5 5885
Originalpublikation:
Dominic B. Dwyer, PhD, Jonas L. Kalman, Monika Budde, et. al.:
An Investigation of Psychosis Subgroups With Prognostic Validation and Exploration of Genetic Underpinnings. The PsyCourse Study
JAMA Psychiatry 2020
https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/article-abstract/2760515
doi:10.1001/jamapsychiatry.2019.4910
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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