Seltene Aminosäure erstmals in Pflanze nachgewiesen ‒ Was Durian zum Stinken bringt

Seltene Aminosäure erstmals in Pflanze nachgewiesen ‒ Was Durian zum Stinken bringt


Teilen: 

28.02.2020 10:37

Seltene Aminosäure erstmals in Pflanze nachgewiesen ‒ Was Durian zum Stinken bringt

Forschende des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München (Leibniz-LSB@TUM) haben die seltene Aminosäure Ethionin nun erstmals in einer Pflanze nachgewiesen. Genau gesagt, in der Frucht des Zibetbaums. Trotz ihres intensiven Geruchs ist die „Stinkfrucht“ Durian in Südostasien sehr beliebt. Wie das Wissenschaftlerteam zeigt, spielt die Aminosäure eine entscheidende Rolle für die Entstehung des typischen Duriangeruchs.

Das Fruchtfleisch der reifen Durian verströmt einen ungewöhnlich starken Duft, der an faule Zwiebeln erinnert und äußerst langanhaltend ist. Das Mitbringen von Durianfrüchten ist daher im öffentlichen Nahverkehr in Singapur sowie in vielen Hotelanlagen in Thailand verboten. Dennoch sind die unterschiedlichen Duriansorten in vielen asiatischen Ländern sehr geschätzt. Das Fruchtfleisch hat einen hohen Nährwert, besitzt einen ausgesprochen süßen Geschmack und eine angenehm cremige Konsistenz.

Enzym setzt aus Aminosäure Geruchsstoff frei

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Frühere Arbeiten am Leibniz-LSB@TUM hatten bereits gezeigt, dass für den Gestank der Früchte der Geruchsstoff Ethanthiol und davon abgeleitete Verbindungen wesentlich sind. Bislang war jedoch unklar, auf welchem biochemischen Weg die Pflanze Ethanthiol bildet. Wie Nadine S. Fischer und Martin Steinhaus vom Leibniz-LSB@TUM nun mit ihrer neuen Studie erstmals belegen, ist Ethionin die gesuchte Vorläuferverbindung der übel riechenden Substanz.

„Unsere Untersuchungen legen nahe, dass beim Reifen der Früchte ein pflanzeneigenes Enzym den Geruchsstoff aus Ethionin freisetzt“, berichtet Erstautorin Nadine Fischer. „Hierzu passt auch unsere Beobachtung, dass im Fruchtfleisch nicht nur die Ethionin-Konzentration mit zunehmendem Reifegrad ansteigt, sondern parallel dazu auch die von Ethanthiol. Letzteres erklärt den besonders starken Geruch einer reifen Durian.“

Nicht nur olfaktorisch relevant

„Genau zu wissen, wie viel Ethionin in der Durianfrucht steckt, ist aber nicht nur wegen seiner Bedeutung für den Geruch interessant“ ergänzt Studienleiter Martin Steinhaus. Wie der Lebensmittelchemiker berichtet, belegen Tier- und Zellkulturstudien, dass die Aminosäure nicht ganz unbedenklich ist. Hochdosiert mit dem Futter aufgenommen, verursacht die Aminosäure bei Ratten Leberschäden und Leberkrebs. Eine neuere Untersuchung lässt jedoch annehmen, dass Ethionin in geringen Konzentrationen auch positive immunmodulatorische Eigenschaften besitzen könnte.

„Es stellt sich also die Frage, ob der Verzehr der Frucht mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist“, sagt Steinhaus. Hier seien sicher weitere Studien notwendig. Allerdings beruhigt der Experte: „Um eine Dosis Ethionin aufzunehmen, die im Tierversuch negative Effekte zeigte, müsste eine 70 Kilogramm schwere Person an einem Tag 580 Kilogramm Fruchtfleisch der besonders ethioninreichen Sorte Krathum essen.“

Quellen:

Fischer NS, Steinhaus M (2019) J Agric Food Chem (just accepted), DOI: 10.1021/acs.jafc.9b07065. Identification of an Important Odorant Precursor in Durian: First Evidence of Ethionine in Plants https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.9b07065

Li J-X, Schieberle P, Steinhaus M (2017) J Agric Food Chem 65: 639-647, DOI: 10.1021/acs.jafc.6b05299. Insights into the key compounds of durian (Durio zibethinus L. ‘Monthong’) pulp odor by odorant quantitation and aroma simulation experiments https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.6b05299


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Martin Steinhaus
Leiter der Sektion I und der Arbeitsgruppe
Sensory Systems Chemistry
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
Tel.: +49 8161 71-2991
E-Mail: martin.steinhaus@tum.de


Originalpublikation:

Fischer NS, Steinhaus M (2019) J Agric Food Chem (just accepted), DOI: 10.1021/acs.jafc.9b07065. Identification of an Important Odorant Precursor in Durian: First Evidence of Ethionine in Plants https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.9b07065

Li J-X, Schieberle P, Steinhaus M (2017) J Agric Food Chem 65: 639-647, DOI: 10.1021/acs.jafc.6b05299. Insights into the key compounds of durian (Durio zibethinus L. ‘Monthong’) pulp odor by odorant quantitation and aroma simulation experiments https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.6b05299


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW