09.03.2020 11:58
Virtuelles Screening nach Wirkstoffen gegen das Coronavirus
Die Universität Basel arbeitet mit an der weltweiten Suche nach einem Wirkstoff gegen das momentan grassierende Coronavirus: Forschende der Gruppe «Computational Pharmacy» haben bisher fast 700 Millionen verschiedene Substanzen an einem spezifischen Angriffspunkt des Virus virtuell getestet – mit dem Ziel, dessen Vermehrung zu blockieren. Wegen der momentanen Notlage werden erste Ergebnisse der Tests anderen Forschungsgruppen sofort zur Verfügung gestellt.
Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Markus Lill am Departement Pharmazeutische Wissenschaften hat in den letzten Wochen ihre computergestützten Methoden eingesetzt, um nach möglichen Wirkstoffen gegen das momentane Coronavirus zu suchen, ebenso gegen zukünftige ähnliche Epidemien. Dabei haben die Wissenschaftler mehr als 680 Millionen Substanzen an einem wichtigen Protein des Virus, der zentralen Protease, rein virtuell getestet.
Durch dieses «Virtuell Screening» wurden bereits einige interessante Substanzen Identifiziert, die das Potenzial haben, das kritische Enzym des Virus zu blockieren – und damit dessen weitere Vermehrung. «Auch wenn die vollständige Entwicklung eines Wirkstoffs gegen das momentane Coronavirus die Dauer der momentanen Epidemie wahrscheinlich übersteigen dürfte, ist es wichtig, Wirkstoffe für zukünftige Coronaviren zu entwickeln. So können ähnliche Gesundheitsnotstände wie der momentane im Keim erstickt werden», sagt Forschungsgruppenleiter Lill.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Testergebnisse öffentlich
Im Anbetracht der aktuellen Notlage hat sich die Gruppe zu einem eher untypischen Vorgehen entschlossen, indem sie nämlich die Testergebnisse sofort als Open Source der Öffentlichkeit in Form eines Preprints zur Verfügung stellt. Die Publikation wurde in den ersten 48 Stunden schon mehr als 3000 Mal konsultiert.
Die Basler Forschenden hoffen nun, dass weltweit eine grössere Anzahl an Forschungsgruppen ihre Vorschläge aufnimmt, sie am Virus testet und weiterführende Studien einleitet. Normalerweise würden für das Wirkstoffdesign die interessanten Moleküle zusammen mit andern Gruppen experimentell getestet, bevor die Ergebnisse patentiert und publiziert werden. Der Hauptfokus von anderen laufenden Studien zum Coronavirus liegt momentan auf der Verwertbarkeit von existierenden antiviralen Medikamenten oder der Neuausrichtung von anderen Medikamenten.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Markus A. Lill, Universität Basel, Departement Pharmazeutische Wissenschaften, Computational Pharmacy, Tel. +41 61 207 61 35, E-Mail: markus.lill@unibas.ch
Originalpublikation:
André Fischer, Manuel Sellner, Santhosh Neranjan, Markus A. Lill, and Martin Smiesko
Inhibitors for Novel Coronavirus Protease Identified by Virtual Screening of 687 Million Compounds
ChemRxiv (2020)
https://chemrxiv.org/articles/Inhibitors_for_Novel_Coronavirus_Protease_Identifi…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch