Wie Zellen unser Herz schlagen lassen



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12.07.2023 20:39

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wie Zellen unser Herz schlagen lassen

Britische und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den bisher umfassendsten Zellatlas des menschlichen Herzes erstellt. Wie sie im Fachjournal „Nature“ berichten, umfasst er erstmals die Zellen, in denen der Herzschlag entsteht. Die Daten sind unter anderem eine Referenz für Studien zu Herzrhythmusstörungen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit eine der Hauptursachen für chronisches Leid und Tod. In Deutschland ist die Herzschwäche die häufigste Ursache für einen Krankenhausaufenthalt. Sie geht oft mit Vorhofflimmern einher und erhöht das Risiko für den plötzlichen Herztod.

Die heute in Nature veröffentlichte Studie gehört zum internationalen „Human Heart Cell Atlas“, der alle Zelltypen im menschlichen Herzen kartographiert. Forschende des Wellcome Sanger Institute, des Imperial College London, des Berliner Max Delbrück Center und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung haben nun für acht Herzregionen insgesamt 75 Zellzustände beschrieben und damit die Zellen und die Genexpression in gesunden erwachsenen Herzen mit bisher unerreichter Genauigkeit räumlich kartiert. Dieses Wissen kann der Schlüssel dazu sein, wie unzählige Zellen das Herz koordiniert schlagen und pumpen lassen.

Erstmals Herzschrittmacherzellen vermessen

Die Studie umfasst Daten von 22 Organspenderinnen und -spendern im Alter zwischen 40 und 75 Jahren. Die Forschenden verwendeten modernste Methoden wie die Einzelzellsequenzierung, bei der für jede einzelne Zelle ermittelt wird, welche Gene sie gerade abliest. Mithilfe der räumlichen Transkriptomik konnten sie nachvollziehen, wo genau die einzelnen Zellen im Herzen sitzen und wie sie miteinander kommunizieren. „Die räumliche Anordung der Zellen im Herzgewebe ist äußerst wichtig. Es macht einen Unterschied, ob eine Bindegewebszelle mit einer Herzmuskelzelle oder einer Immunzelle spricht. Das kann erhebliche Konsequenzen für die Funktion des Herzens haben“, sagt Professor Norbert Hübner vom Max Delbrück Center, der Ko-Autor der Studie ist.

Erstmals erstellte das britisch-deutsche Team auch ein Profil der Zellen des menschlichen Reizleitungssystems. Dazu gehören die Herzschrittmacherzellen, welche die elektrischen Impulse erzeugen und die Herzfrequenz bestimmen. Ist das Reizleitungssystems gestört, gerät der Herzrhythmus aus dem Takt. Dies führt zu einer Reihe von Herzrhythmusstörungen, die tödlich verlaufen können.

Die Forscher machten dabei eine unerwartete Entdeckung: Die Herzschrittmacherzellen arbeiten mit benachbarten Gliazellen zusammen. Gliazellen befinden sich vorwiegend im Gehirn, wo sie die Nervenzellen unterstützen, während sie im Herzen bisher nur wenig untersucht wurden. Nun stellte sich heraus, dass Gliazellen Teil des Reizleitungssystems des Herzens sind und über bisher unbekannte Signalwege mit den Herzschrittmacherzellen kommunizieren. Offenbar setzen die Schrittmacherzellen den Neurotransmitter Glutamat frei, ein Prozess, der bisher noch nicht beschrieben wurde.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist die räumliche Auflösung von Immunzellen im Herzen: Plasmazellen im Epikard, der äußersten Schicht des Herzens, bilden Immunnischen, die möglicherweise zur Abwehr von Infektionen beitragen.

Frühwarnzeichen für Herzschwäche

Die Forschenden entdeckten auch etwas, das als frühes Warnzeichen für Herzschwäche interpretiert werden könnte. Sie stellten fest, dass die Kardiomyozyten in der Herzkammer ein für Stress typisches Genexpressionsprofil aufweisen und eine Substanz namens Brain Natriuretic Peptide (BNP) produzieren. BNP ist ein Biomarker, den Ärztinnen und Ärzte einsetzen, um Herzinsuffizienz zu erkennen. Bisher war jedoch unbekannt, welche Zellpopulation im Herzen diese Substanz freisetzt. Als sie ihre Ergebnisse mit öffentlich zugänglichen Daten von erkrankten Herzen verglichen, stellten die Forschenden fest, dass diese Zelltypen dann öfter vorkamen und als Frühwarnsignal für eine Herzinsuffizienz bei gesunden Menschen dienen könnten.

Außerdem stellte das Team ein neues Werkzeug namens Drug2cell vor: Das Tool nutzt die in der ChEMBL-Datenbank gespeicherte Einzelzellprofile sowie Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Zielmolekülen und gibt Aufschluss darüber, wie verschiedene Medikamente das Reizleitungssystem und die Herzfrequenz beeinflussen. So konnten die Forscherinnen und Forscher beispielsweise eine bisher unbekannte Nebenwirkung eines Diabetesmedikaments (GLP-1) auf Schrittmacherzellen identifizieren.

Die Forschungsarbeiten wurden von der British Heart Foundation und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung finanziert.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Norbert Hübner, Leiter der AG “Genetik & Genomik von Herz-, Kreislauf-Erkrankungen” am Max Delbrück Center, nhuebner@mdc-berlin.de


Originalpublikation:

Kanemaru, K., Cranley, J., et al. (2023). Spatially resolved multiomics of human cardiac niches. Nature. DOI: 10.1038/s41586-023-06311-1 https://www.nature.com/articles/s41586-023-06311-1


Bilder

Prof. Dr. Norbert Hübner

Prof. Dr. Norbert Hübner

Pablo Castagnola, Max Delbrück Center


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW