As time goes by: Wenn Fledertiere altern, verändern sich ihre Immunzellen



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06.09.2022 17:00

As time goes by: Wenn Fledertiere altern, verändern sich ihre Immunzellen

Studie von FLI und HIRI enthüllt die Komplexität der Leukozyten in ägyptischen Flughunden und ihre Prägung durch das Alter

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Ein Forschungsteam um Anca Dorhoi vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald und Emmanuel Saliba vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg hat altersabhängige Veränderungen des zellulären Immunsystems beim Flughund Rousettus aegyptiacus entschlüsselt. Mithilfe modernster Einzelzelltechnologien kartierten sie das Flughundblut in noch nie dagewesener Auflösung. Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass sich mit zunehmendem Alter T-Lymphozyten und potenziell regulatorische Zellen myeloischen Ursprungs auf Kosten von B-Zellen anreichern. Diese Erkenntnisse bieten tiefe Einblicke in das Immunsystem dieser wichtigen Wildtierart, die als Reservoir für Filoviren wie beispielsweise das Marburg-Virus dient. Die Studienergebnisse wurden jetzt in Cell Reports veröffentlicht.

Die Immunologie von Fledertieren gibt Rätsel auf. Viele Erreger von Infektionskrankheiten des Menschen stammen aus Wildtieren, und mehrere neu auftretende, bedeutende Viren werden von Flughunden übertragen. Obwohl sie hochinfektiöse Viren verbreiten können, werden sie selbst kaum krank, und es ist nur wenig über das Immunsystem dieser nachtaktiven Lebewesen bekannt. Die Forschungsgruppe von Anca Dorhoi am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald hat nun mit FLI-Kolleg:innen sowie gemeinsam mit der Forschungsgruppe von Emmanuel Saliba am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg – einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg – die Komplexität der zirkulierenden Leukozyten bei diesen Fledertieren kartiert. Im Ergebnis berichten sie, dass das Alter des Tieres die Häufigkeit und den Phänotyp von Immunzellen prägt.

Flughund-Blutkörperchen einzeln entschlüsselt

Die Teams konzentrierten sich auf den Flughund Rousettus aegyptiacus, der in Afrika weit verbreitet ist. Er gilt als Reservoir für zoonotische – also zwischen Mensch und Tier wechselseitig übertragbare – Viren und wird daher auch als Versuchsmodell genutzt. Das FLI ist eine der wenigen Forschungseinrichtungen weltweit, die eine eigene Zuchtkolonie dieser Tiere halten. Dies bietet einzigartige Möglichkeiten, die Immunbiologie der Fledertiere zu studieren. Dazu wurde den Tieren eine kleine Menge Blut aus der Flughautvene entnommen.

Das FLI arbeitete zusammen mit HIRI-Kolleg:innen in Würzburg, die auf die Analyse zellulärer Ribonukleinsäuremoleküle (RNA-Moleküle) spezialisiert sind. Mithilfe der Einzelzellsequenzierung haben die Würzburger Expert:innen jedes Blutkörperchen einzeln entschlüsselt. HIRI-Forscher Emmanuel Saliba sagt: „Wir haben jede Zelle durchleuchtet und einen Fingerabdruck der darin befindlichen RNA-Moleküle erstellt. So konnten wir die zelluläre Identität des Blutes nachzeichnen und den bislang größten Atlas von Flughundzellen schaffen.“

Diese Vorgehensweise ermöglichte es, auch schwer greifbare Leukozyten zu identifizieren, zum Beispiel Untergruppen von natürlichen Killerzellen (NKT)-ähnlichen Zellen und B-Zellen, die sich nicht mit bekannten Immunzell-Untergruppen aus klassischen experimentellen Tiermodellen überschneiden. Ohne hochauflösende Methoden und ohne experimentelle immunologische Instrumente wäre die Identifizierung der Flughund-Immunzellen nicht möglich gewesen.

Dynamische altersbedingte Veränderung der Immunzellen

Die Forscher:innen setzten unter anderem die Durchflusszytometrie ein und stellten fest, dass T-Lymphozyten und Fresszellen wie Neutrophile und Populationen von mononukleären Zellen myeloischen Ursprungs bei erwachsenen Flughunden angereichert waren, während B-Zellen bei Jungtieren häufiger vorkamen. Anca Dorhoi folgert: „Bei Rousettus aegyptiacus erlangen Immunzellen mit dem Erreichen des Erwachsenenalters mutmaßlich regulatorische Eigenschaften und verändern ihre Häufigkeit im Blut dramatisch.“ Die altersabhängigen Beobachtungen deuten darauf hin, dass das Immunsystem die Funktion des Virus-Reservoirs beeinflussen kann – das unterstützt epidemiologische Studien mit dem Ziel, altersabhängige Schwankungen bei zoonotischen Infektionen aufzuklären. Die Studienergebnisse ergänzen den Nachweis von Krankheitstoleranz bei Fledertieren, die bisher mit der humoralen Immunität in Verbindung gebracht wurden, und bringen die Forschung auf dem Gebiet der zellulären Immunität von Fledertieren deutlich voran.

Diese Pressemitteilung finden Sie auch auf unserer Homepage unter https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/news-detail/article/complete/as-t…

Pressekontakte:

Dr. Britta Grigull
Leiterin Kommunikation
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung
+49 931 31-81801
britta.grigull@helmholtz-hiri.de

Dipl. Biol. Elke Reinking
Leiterin Pressestelle
Friedrich-Loeffler-Institut
+49 38351 7-1244
elke.reinking@fli.de

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. http://www.helmholtz-hzi.de

Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung:
Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus. Weitere Informationen unter http://www.helmholtz-hiri.de.

Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI):
Als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit widmet sich das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) der Gesundheit lebensmittelliefernder Tiere. Zentrale Aufgaben sind die Prävention, Diagnose und Bekämpfung von Tierseuchen, die Verbesserung der Tierhaltung und -ernährung sowie die Erhaltung und Nutzung tiergenetischer Ressourcen. http://www.fli.de


Originalpublikation:

Friedrichs V, Toussaint C, Schäfer A, Rissmann M, Dietrich O, Mettenleiter TC, Pei G, Balkema-Buschmann A, Saliba AE, Dorhoi A (2022)
Landscape and age dynamics of immune cells in the Egyptian Rousette Bat
Cell Reports, DOI: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2022.111305


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW