„Bedeutung des perioperativen Infarkts nach Bypass-OP geklärt“



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22.03.2022 09:00

„Bedeutung des perioperativen Infarkts nach Bypass-OP geklärt“

Die Bypass-Operation stellt eine erfolgversprechende Option zur Behandlung ver-engter Herzkranzgefäße bzw. zur Vorbeugung eines Herzinfarkts dar. Der chirurgi-sche Eingriff ist aber auch mit dem Risiko eines perioperativen Myokardinfarkts (pMI) verbunden, also einer Komplikation, die während oder infolge der OP auftre-ten kann. Ein Innsbrucker Herzchirurgie-Team hat die Diagnose des pMI auf den Prüfstand gestellt und liefert weitreichende Erkenntnisse für herzchirurgische und kardiologische Guidelines und künftige Studien zu diesem Thema.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Innsbruck, am 22.03.2022: Ob die Bypass-OP oder die Implantation eines Stents die bes-sere Lösung für verengte Herzkranzgefäße ist, darüber ist man sich in Fachkreisen nicht immer einig. „Fest steht, dass der Erfolg einer Koronararterien-Bypass-Operation auch daran gemessen wird, ob die Patientinnen und Patienten während oder wenige Stunden nach dem Eingriff einen Myokardinfarkt erleiden“, weiß der Innsbrucker Herzchirurg Can Gollmann-Tepeköylü.
Um die Qualität der Risikovorhersage für einen Herzinfarkt nach Bypass-OP beurteilen zu können, hat ein Team um Leo Pölzl, Nikolaos Bonaros und Can Gollmann-Tepeköylü an der Univ.-Klinik für Herzchirurgie (Direktor: Michael Grimm) der Medizin Uni Innsbruck gemeinsam mit KollegInnen des Universitätsklinikums Essen die verschiedenen Definitio-nen eines Mykordinfarkts einer Prüfung unterzogen. Für die kürzlich im renommierten Fachjournal European Heart Journal veröffentlichte Studie wurden Daten von 2.829 Pati-entInnen, die in Innsbruck und Essen einer Bypass-Operation unterzogen worden waren, herangezogen und rückblickend analysiert. So konnte die Inzidenz eines pMI unter realen Bedingungen überprüft werden.

Erhöhtes Troponin markiert nicht unbedingt Herzinfarkt
Ein Herzinfarkt wird in der Regel durch die Messung des Herzenzyms Troponin diagnosti-ziert. Dieser im Blut gemessene Wert erlaubt Hinweise auf den Untergang von Herzmus-kelzellen, wie er infolge eines Myokardinfarkts eintritt. Doch auch bei einer Herzoperation wird Herzmuskelgewebe geschädigt. „Wir sehen, dass der Troponin-Wert bei Patientinnen und Patienten nach einer Bypass-OP massiv erhöht sein kann. Eine Troponin abhängige Beurteilung allein unter Verwendung derzeitiger Grenzwerte gibt deshalb nicht mit Sicher-heit Aufschluss darüber, ob es sich um einen Herzinfarkt oder um den Zustand nach einer Bypass-OP handelt. Die Diagnose eines perioperativen Infarkts bedarf folglich weiterer Parameter, wie etwa die Feststellung von Wandbewegungsstörungen mittels Echokardio-graphie oder EKG-Veränderungen“, betont Gollmann-Tepeköylü, der in dieser Studie vier verschiedene Infarktdefinitionen analysiert und verglichen hat.
Der Bypass-Operation wird in Fachkreisen ein mitunter höheres Infarkt-Risiko attestiert. Zahlreiche Studien, in denen das Outcome von Stent-Implantationen und Bypass-OPs verglichen wird, setzen jedoch perioperative Infarkte als Endpunkt ihrer Studie.
„Die Erkenntnis, dass erhöhtes Troponin allein unter Verwendung derzeit gängiger Grenz-werte noch keinen Einfluss auf die Prognose hat, sondern erst genauere Infarktdefinitio-nen belastbare Rückschlüsse auf einen perioperativen Myokardinfarkt zulassen, die in der klinischen Praxis zu raschen Maßnahmen führen, wird sich somit auf die Guidelines zur Behandlung verengter Koronararterien auswirken“, erwartet Erstautor Leo Pölzl.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben somit nicht nur weitreichende Folgen für herzchirurgische und kardiologische Guidelines, sondern auch für zukünftige Studiende-signs zu diesem Thema. „Wir beantworten hiermit eine sehr wichtige Frage in einem wis-senschaftlichen Konflikt: Welche Definitionen der Endpunkte sind geeignet, um prognose-relevante perioperative Myokardinfarkte nach Revaskularisation (Wiederherstellung der Durchblutung, Anm.) zu erfassen? Diese Frage hat die kardiovaskuläre Medizin lange Zeit entzweit und dazu geführt, dass die Europäische Fachgesellschaft ihre Unterstützung für die europäischen Guidelines zurückgezogen hat“, betont Gollmann-Tepeköylü.

Bypass-Operation:
Bei einer koronaren Herzkrankheit kommt es über Jahrzehnte schleichend und unbe-merkt zu einer Verengung der Herzkranzgefäße (Stenose), die das Herz mit Blut versor-gen. Sind mehrere Gefäße in Mitleidenschaft gezogen oder sind sie diffus und lang-streckig erkrankt, wird zu einer Bypass-Operation (Bypass bedeutet Umgehung) geraten. Dabei werden Stenosen mit Arterien oder Venen aus dem Körper überbrückt. Gesunde Gefäße werden nach den Engstellen auf die Herzkranzgefäße aufgenäht, so dass das Blut ungehindert zum Herzen fließen kann.

Zur Person:
Der gebürtige Burgenländer Can Gollmann-Tepeköylü absolvierte sein Medizin-Studium in Wien. Für sein Doktoratsstudium im Programm „Molecular cell biology” wechselte er an die Medizinische Universität Innsbruck, wo er an der Univ.-Klinik für Herzchirurgie bereits seit mehreren Jahren an der Regeneration des Herzmuskels forscht. Für seine herausra-genden, im Rahmen seiner Habilitation zusammengeführten Erkenntnisse auf diesem Gebiet wurde er mit dem Förderungspreis für 2020 des Kardinal-Innitzer-Studienfonds ausgezeichnet.


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac054


Weitere Informationen:

https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2022/17.html [Pressebilder zum Download]


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW