Bericht der „Nationalen Diabetes Surveillance“ des RKI: Stationäre Diabetesversorgung weiterhin drastisch unterschätzt

Bericht der „Nationalen Diabetes Surveillance“ des RKI: Stationäre Diabetesversorgung weiterhin drastisch unterschätzt


Teilen: 

04.12.2019 10:00

Bericht der „Nationalen Diabetes Surveillance“ des RKI: Stationäre Diabetesversorgung weiterhin drastisch unterschätzt

In seinem ersten Bericht der „Nationalen Diabetes Surveillance“(1) veröffentlichte das Robert Koch-Institut (RKI) Zahlen zu Diabetes mellitus, dessen Begleit- und Folgeerkrankungen sowie der medizinischen Versorgung in Deutschland. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßt den Bericht, der erneut zeigt, dass Diabetes eine komplexe Erkrankung ist und umfassender Präventions- und Versorgungsmaßnahmen bedarf. Die DDG-Expertinnen und -Experten weisen jedoch darauf hin, dass die Zahlen zur stationären Diabetesversorgung unzureichend abgebildet und somit weit unterschätzt sind. Der RKI-Report berücksichtigt lediglich die niedrig vergütete und deshalb kaum kodierte Hauptdiagnose Diabetes.

Als Nebendiagnose wird der Diabetes nicht aufgeführt, wodurch der tatsächliche stationäre Versorgungsbedarf Betroffener nicht realistisch dargestellt wird. Da der Bericht auf gesundheitspolitische Maßnahmen abzielt, ist der DDG diese Berichtsweise unverständlich, verzerrt den Bedarf und kann damit zulasten der Patientenversorgung gehen.

_________________________________________________________

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Über eine halbe Millionen Menschen erkranken jedes Jahr an Diabetes mellitus. Mit seinen Begleit- und Folgeerkrankungen zusammengenommen, verursacht die Stoffwechselerkrankung Kosten von jährlich schätzungsweise 21 Milliarden Euro. „Der RKI-Bericht zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, Versorgungsstrukturen finanziell und personell weiter zu stärken, um auch künftig gute diabetologische Prävention, Diagnostik und Therapie in Deutschland sicherzustellen“, betont DDG Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer, Ärztliche Direktorin des Zentrums für Innere Medizin I am Marienhospital in Stuttgart. „Wir unterstützen das Projekt und hoffen, dass es dazu beiträgt, den im Koalitionsvertrag festgehaltenen, längst überfälligen Nationalen Diabetesplan schneller voranzutreiben.“

Der RKI-Bericht basiert auf verschiedenen Datenquellen, unter anderem auch auf den Abrechnungs- und Versorgungsdaten der Krankenkassen und damit auf Daten von rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten. „Doch trotz der umfassenden Datenlage müssen insbesondere die Zahlen zur stationären Versorgung kritisch betrachtet werden“, mahnt DDG Pressesprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. Die Autoren bezogen gemäß der OECD-Maßgaben nur Krankenhausaufnahmen mit der Hauptdiagnose Diabetes ein. Nicht berücksichtigt werden Diabetespatienten, die wegen einer anderen Diagnose eingeliefert wurden und deren Diabetes im Fallpauschalensystem (DRG) nur als Nebendiagnose eingestuft wurde. „So suggerieren die genannten Zahlen, dass die Krankenhausfälle mit Diabetes seit 1998 leicht abgenommen haben – doch nur, weil Diabetes als Nebendiagnose technisch herausfällt“, erklärt Gallwitz.

Hingegen zeigen aktuelle Analysen des WiG2 Instituts im Auftrag der DDG, dass etwa jeder siebte Krankenhauspatient Diabetes hat. Auf internistischen Krankenhausstationen sind sogar etwa die Hälfte aller Patienten betroffen2. Der Grund für die Diskrepanz zwischen den GKV-Zahlen und den tatsächlichen Patientenzahlen in Krankenhäusern sieht Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Sprecher der DDG Kommission „Epidemiologie und Versorgungsforschung“, in erster Linie darin, dass die Kodierpraxis in Kliniken Diabetes selten als Hauptdiagnose kennzeichnet, da andere Diagnosen und Behandlungen fürs Krankenhaus größeren finanziellen Nutzen bringen. „Zudem kommen besonders ältere Diabetespatienten mit Beschwerden wie Bluthochdruck, Nieren- oder Herzkreislaufbeschwerden ins Krankenhaus – häufige Folge- und Begleiterkrankungen der Stoffwechselerkrankung. Fast die Hälfte aller Diabetespatienten ab 65 Jahren leidet laut RKI-Bericht beispielsweise zusätzlich an einer Herzkreislauferkrankung“, berichtet Fritsche, Stellvertretender Leiter des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen. Auch in diesen Fällen wird der Diabetes nicht als Hauptdiagnose bewertet. Um den Bedarf an Pflege, medizinischer und anschließender ambulanter Versorgung sowie Rehabilitation realistisch abzubilden, müssen diese vielen Patienten in gesundheitspolitischen Erhebungen Berücksichtigung finden.

„Die Nationale Diabetes Surveillance wurde vom Bundesministerium für Gesundheit berechtigterweise ins Leben gerufen, um der Politik ein klares Bild von den Bedarfen zu geben und damit die Planung, Umsetzung und Evaluation von Public-Health-Maßnahmen zu unterstützen“, erklärt Fritsche. „Vor diesem Hintergrund müssen wir die Daten kritisch einordnen, um gesundheitspolitische Fehlentscheidungen zu vermeiden.“

Anlässlich der RKI-Erhebung bekräftigt die DDG die Forderung nach einem Nationalen Diabetesplan, der auch ein Nationales Diabetesregister vorsieht. Im Fokus stehen außerdem, die medizinische Versorgung für Menschen mit Diabetes durch adäquate Medizinerausbildung und -weiterbildung sicherzustellen und zu verbessern, die flächendeckende Versorgung durch niedergelassene Allgemein- und Fachärzte zu gewährleisten, eine angemessene Behandlung und Pflege im Krankenhaus zu ermöglichen sowie moderne Medikamente bereitzustellen. „Die Politik muss nun handeln, um die Weichen rechtzeitig zugunsten einer bedarfsgerechten Diabetesversorgung in Deutschland zu stellen“, mahnt Kellerer. Im stationären Bereich gebe es bereits eine starke diabetologische Unterversorgung.

LITERATUR:
(1) Bericht der Nationalen Diabetes Surveillance 2019 „Diabetes in Deutschland“ des Robert-Koch-Instituts
https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Diabetes_Surveillanc…

(2) Müller-Wieland, D. et al., Survey to estimate the prevalence of type 2 diabetes mellitus in hospital patients in Germany by systematic HbA1c measurement upon admission, Int J Clin Pract. 2018;72:e13273. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30295392

Website des RKI zur Nationalen Diabetes Surveillance:
https://diabsurv.rki.de/

_________________________________________________________

Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9.000 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der fast sieben Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.
_________________________________________________________

Kontakt für Journalisten:
Pressestelle DDG
Christina Seddig/Kerstin Ullrich
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-652, Fax: 0711 8931-167
seddig@medizinkommunikation.org

Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
Geschäftsstelle
Katrin Bindeballe
Albrechtstraße 9, 10117 Berlin
Tel.: 030 3116937-55, Fax: 030 3116937-20
bindeballe@ddg.info
https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/home.html


Weitere Informationen:

https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/home.html


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW