11.07.2022 11:00
Botenstoff CXCL9 verhilft Immuntherapie bei Eierstockkrebs zum Erfolg
Immuntherapien, vor allem die sog. Immuncheckpoint-Blockade, ermöglichen dem körpereigenen Immunsystem einen effektiven Angriff auf Tumore. Dieses Verfahren hat bereits bei anderen Krebsarten/Tumoren die Therapielandschaft grundlegend revolutioniert. Beim Eierstockkrebs haben diese Therapien bislang nur enttäuschende Ergebnisse in Studien hervorgebracht. Forschende um PD Dr. Holger Bronger und Prof. Dr. Viktor Magdolen von der Frauenklinik am Klinikum rechts der Isar der TUM haben nun, gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung, gezeigt, dass ein bestimmter Botenstoff, der Immunzellen in den Tumor locken kann, ausreichend ist, um eine solche Immuntherapie auch beim Eierstock zu ermöglichen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Eierstockkrebs ist die fünfhäufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen in der westlichen Welt. Die bisherige Standardtherapie besteht aus einer möglichst radikalen Tumoroperation, gefolgt von einer Kombinationschemotherapie. In den letzten Jahren ist insbesondere bei Frauen, die eine erbliche Form dieser Tumoren aufweisen, eine Erhaltungstherapie mit sog. PARP-Inhibitoren hinzugekommen. Dennoch liegt das 5-Jahres-Überleben weiterhin bei nur etwa 50 Prozent, sodass neue Therapieansätze dringend benötigt werden.
Basierend auf den bahnbrechenden Arbeiten zu den sogenannten Immuncheckpoints wurden in den letzten 20 Jahren neue Therapien entwickelt, die dem körpereigenem Immunsystem dabei helfen, Tumore besser bekämpfen zu können. Durch die Bildung bestimmter Oberflächenproteine (z.B. PD-L1) können Tumore den Angriff von Immunzellen, die den Rezeptor zu diesen Oberflächenproteinen (PD-L1 oder PD-1) haben, abwehren. Damit das körpereigene Immunsystem dennoch erfolgreich einen Tumor bekämpfen kann, braucht es die Hilfe von Antikörpern, die das Oberflächenprotein PD-L1 oder PD-1 blockieren. Die Immunantwort gegen den Tumor wird so „enthemmt“ und der Tumor erfolgreich bekämpft. Dies funktioniert bei einigen Tumoren wie z.B. dem schwarzen Hautkrebs oder bestimmten Lungentumoren schon recht gut. Beim Eierstockkrebs waren dagegen alle größeren Studien erfolglos. Dies mag daran liegen, dass es Immunzellen ohne Unterstützung generell sehr schwerer haben, erfolgreich in Eierstocktumore einzuwandern.
In vorangegangenen Projekten identifizierte die Forschergruppe um Bronger und Magdolen ein bestimmtes Chemokin (CXCL9), das mit einer erfolgreichen Immuninfiltration beim Eierstocktumor bereits in Verbindung gebracht worden ist. „Wir fragten uns, ob CXCL9 – ein kleines lösliches Botenstoff-Protein – tatsächlich die „richtigen“ Immunzellen in den Tumor locken und so bislang wirkungslosen Immuntherapien gegen PD-L1 Erfolg verschaffen kann“ so Bronger und Magdolen.
In einem Eierstockkrebs-Tiermodell gelang es den Forschenden nachzuweisen, dass sich die Zahl an Immunzellen und somit das Überleben der Tiere verbessert, wenn die Tumore vermehrt CXCL9 bilden. Zusätzlich funktionierte jetzt eine bisher erfolglose Antikörpertherapie.
Produzierten die Tumore jedoch bereits konkurrierende Chemokine, schlug die Therapie nicht an. Dies zeigte sich bei Versuchstieren, die eine bestimmte erbliche Art des Eierstockkrebses (mit einer sog. BRCA2-Mutation) hatten. Weiter untermauert wurde die Bedeutung von CXCL9 für den Erfolg einer Immuncheckpoint-Therapie durch die Tatsache, dass klarzellige Eierstocktumore besonders gut auf eine Immuncheckpoint-Blockade ansprechen, da sie am häufigsten viel CXCL9 bilden.
Diese Erkenntnisse sollen in Zukunft helfen, Patientinnen zu identifizieren, die von einer Immuncheckpoint-Blockade profitieren können. Darüber hinaus arbeiten die Wissenschaftler daran, durch medikamentöse Einflussnahme CXCL9 im Eierstockkrebs anzureichern, damit eine erfolgreiche Tumorbekämpfung durch das körpereigene Immunsystem möglich wird.
Die Ergebnisse sind kürzlich im British Journal of Cancer publiziert worden.
(3.908 Zeichen inkl. Leerzeichen)
* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.
Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit insgesamt rund 211.000 Euro über 24 Monate unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 270 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Kontakt
Konstanze Adam
Wilhelm Sander-Stiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
Tel.: +49 (0) 89 544187-0
Fax: +49 (0) 89 544187-20
E-Mail: adam@sanst.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Wissenschaftliche Ansprechpartner
PD Dr. Holger Bronger und Prof. Dr. Viktor Magdolen
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
Ismaninger Str. 22
81825 München
Tel. 089/4140-2420
Mail: holger.bronger@tum.de / viktor.magdolen@tum.de
Originalpublikation:
Seitz S, Dreyer TF, Stange C, Steiger K, Bräuer R, Scheutz L, Multhoff G, Weichert W, Kiechle M, Magdolen V, Bronger H. CXCL9 inhibits tumor growth and drives anti-PD-L1 therapy in ovarian cancer. Br J Cancer 2022; 126(10):1470-80.
Bronger H, Singer J, Windmüller C, Reuning U, Zech D, Delbridge C, Dorn J, Kiechle M, Schmalfeldt B, Schmitt M, Avril S.. CXCL9 and CXCL10 predict survival and are regulated by cyclooxygenase inhibition in advanced serous ovarian cancer. Br J Cancer 2016; 115(5):553-63
Weitere Informationen:
https://www.wilhelm-sander-stiftung.de/
http://www.frauenklinik.mri.tum.de/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch