02.04.2020 11:01
COVID-19: TU Wien entwirft einfaches Sauerstoff-Gerät
Es besteht nur aus wenigen einfachen Teilen und könnte in kurzer Zeit einsatzbereit sein: Ein neuartiges Sauerstoffgerät soll COVID-19-Kranken beim Atmen helfen.
Es ist eine der aktuell größten Sorgen im Zusammenhang mit der COVID-19-Epidemie: Intensivstationen haben nur eine begrenzte Zahl an Beatmungsgeräten. An der TU Wien wurde daher nun ein Sauerstoffgerät entwickelt, das auf einfachen, vielfach erprobten Komponenten beruht und in wenigen Tagen fertiggestellt werden könnte. Die Luft, die von einem handelsüblichen Kompressor kommt, wird mit einer speziellen Membran mit Sauerstoff angereichert. Diese sauerstoffreiche Luft kann dann Patient_innen mit starken Lungenbeschwerden beim Atmen helfen.
Durch eine solche Therapie, die schon in einem frühen Stadium einer stationären Versorgung begonnen werden kann, ließe sich eine Intubation und eine Beatmung mit einem herkömmlichen Beatmungsgerät verzögern oder ganz vermeiden. Besonders dann, wenn viele Patienten mit Atemschwierigkeiten gleichzeitig versorgt werden müssen, könnte diese Methode wertvolle Ressourcen sparen helfen. Je nach eingesetzter Kompressor- und Membrantrennkapazität könnte ein einzelner Aufbau 20 Personen und mehr gleichzeitig versorgen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Mehr Sauerstoff, höherer Druck
Der Entwurf für das neuartige Sauerstoffgerät stammt von Prof. Margit Gföhler, Leiterin des Forschungsbereichs für Biomechanik und Rehabilitationstechnik (Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung, TU Wien) und Prof. Michael Harasek, der sich am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften seit vielen Jahren mit Membrantechnologie beschäftigt. Medizinisch beraten wurden sie dabei vom Beatmungsspezialisten Dr. Alexander Aloy (Intensivmediziner und Lektor an der TU Wien).
Wenn die Lunge den Körper nicht mehr mit ausreichend viel Sauerstoff versorgen kann, dann muss sie unterstützt werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Im Extremfall muss man intubieren und ein Beatmungsgerät verwenden. In vielen Fällen ist es aber ausreichend, die Funktionsfähigkeit der Lunge zu unterstützen, indem man die Patient_innen mit einem ausreichend starken Luftstrom mit hohem Sauerstoffgehalt versorgt. Genau das lässt sich mit einem relativ einfachen Konzept erreichen.
„Die meisten Komponenten unseres Geräts findet man in einem ganz gewöhnlichen Baumarkt“, sagt Margit Gföhler. Nötig ist ein ölfreier Kompressor, ein Luftfilter, die Verrohrung und ein Behälter zum Befeuchten der Luft – und ein Modul mit einer Spezialmembran zum Erhöhen des Sauerstoffanteils. „Diese Membran ist der einzige nicht ganz alltägliche Bauteil – aber auch diese Membranen sind in der Industrie heute nichts Ungewöhnliches, sie sind kommerziell erhältlich und in ausreichender Menge verfügbar“, ist Michael Harasek überzeugt.
Membrantechnologie: Sauerstoff von Stickstoff trennen
Harasek arbeitet schon lange an Membrantechnologien zum Trennen von Gasen: „Normalerweise leitet man Luft durch eine solche Membran, um Stickstoff zu gewinnen und den Sauerstoff abzuscheiden. Das ist eine schon lange bekannte Technik. Wir müssen dieses Prinzip hier einfach nur umkehren: Wir verwenden nicht den Stickstoff, sondern den angereicherten Sauerstoff.“ Man erreicht so eine Sauerstoffkonzentration von ca. 40 %. Die Luft wird dann temperiert und befeuchtet und mit erhöhtem Druck über zwei Silikonschläuche oder einer Atemmaske in die Nase des Patienten oder der Patientin geleitet. Ein einziger Kompressor kann sauerstoffangereicherte Atemluft für mehrere kranke Personen liefern.
Ein entscheidender Vorteil des Geräts ist, dass es ohne Sauerstoffflaschen auskommt – der Sauerstoff kommt einfach aus der Umgebungsluft. „Das ist wichtig, weil es für das Krankenhauspersonal sehr schwierig ist, immer im Auge zu behalten, welche Sauerstoffflaschen getauscht werden müssen. Und auch die Versorgung mit einer ausreichenden Zahl an Sauerstoffflaschen kann schwierig werden“, sagt Michael Harasek.
„Wir sind bereits mit Firmen im Gespräch, die sich für diese Technik interessieren“, sagt Margit Gföhler. „Aus unserer Sicht ist es technisch jedenfalls möglich, solche Geräte in kurzer Zeit in Betrieb zu nehmen, falls es nötig sein sollte und die derzeit in den Krankenhäusern verfügbaren Technologien nicht mehr ausreichen.“
Das Gerät ist zwar neu, aber der Effekt, den es leistet, ist eine medizinisch anerkannte Maßnahme: „Wir wissen, dass die Gabe von mit Sauerstoff angereicherter Luft bei COVID-19-Kranken mit Atemproblemen sehr hilfreich sein kann“, sagt Univ.Doz. Dr. Alexander Aloy.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Michael Harasek
Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften
Technische Universität Wien
Getreidemarkt 9, 1060 Wien
T +43-1-58801-166202
biofluidslab@tuwien.ac.at
michael.harasek@tuwien.ac.at
Prof. Margit Gföhler
Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung
Technische Universität Wien
Getreidemarkt 9, 1060 Wien
T +43-1-58801-30615
biofluidslab@tuwien.ac.at
margit.gfoehler@tuwien.ac.at
Univ.Lektor Dr. med Alexander Aloy
Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung
alexander.aloy@tuwien.ac.at
Weitere Informationen:
https://biofluidslab.tuwien.ac.at Nähere Informationen und weiterführende Literatur
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Maschinenbau, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
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