Der Feind im eigenen Körper: Wie sich Krankheitserreger unerkannt ausbreiten



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22.04.2024 09:08

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Der Feind im eigenen Körper: Wie sich Krankheitserreger unerkannt ausbreiten

Einige Krankheitserreger verstecken sich in menschlichen Zellen und verbessern so ihre Überlebenschancen. Forschende der Universität Basel haben nun eine einzigartige Taktik aufgedeckt, mit der sich bestimmte Bakterien im Körper ausbreiten, ohne dabei vom Immunsystem entdeckt zu werden. In ihrer Studie berichten sie über die entscheidende Rolle einer bakteriellen Nanomaschine im Infektionsgeschehen.

Das Innere einer Zelle dient einigen Krankheitserregern als Schlupfwinkel. Darin versteckt können die Bakterien der Immunabwehr entgehen und sich unbehelligt im Körper ausbreiten. Zu solchen Eindringlingen gehören unter anderem Burkholderia-Bakterien der Art B. pseudomallei. Dieser Krankheitserreger verursacht Melioidose, eine schwere Infektionskrankheit in den Tropen. Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate sowie der Resistenz gegen viele Antibiotika steht der Keim auf der Liste potenziell biologischer Gefahrenstoffe.

Bei dem weniger gefährlichen Verwandten B. thailandensis hat Prof. Dr. Marek Baslers Team vom Biozentrum der Universität Basel nun eine raffinierte Taktik aufgedeckt, mit der sich der Erreger ungestört im Gewebe ausbreitet. «Die Bakterien sind mit einer Nano-Harpune ausgestattet, dem sogenannten Typ-VI-Sekretionssystem, kurz T6SS», erklärt Basler. «Burkholderia verwendet das T6SS, um unter dem Radar des Immunsystems von einer Zelle zur anderen zu wandern.» Die Erkenntnisse, die kürzlich in der Fachzeitschrift «Cell Host & Microbe» veröffentlicht wurden, lassen die Rolle des T6SS bei Burkholderia-Infektionen in einem neuen Licht erscheinen.

Erreger nutzt Nanomaschine um sich auszubreiten

Aus früheren Studien ist bekannt, dass diese intrazellulären Erreger auf eine aussergewöhnliche Strategie setzen, um sich auszubreiten: Nachdem sie in die Zelle eingedrungen sind, nutzen sie Bestandteile der Zelle wie zum Beispiel den Zellgerüst-Bestandteil Aktin, um in Richtung Zellmembran zu wandern. Dort bilden sie Ausstülpungen, die fingerartig in die Nachbarzelle hineinragen. Mithilfe ihrer T6SS-Harpune verschmelzen die Bakterien die zwei Zellen schliesslich miteinander und breiten sich so weiter aus.

Einzigartige Ausbreitungsstrategie

Die Forschenden untersuchten die Rolle des T6SS für das Infektionsgeschehen genauer und entdeckten eine bislang unbekannte, einzigartige Ausbreitungsstrategie dieser Bakterien. «Wir waren überrascht zu sehen, dass sich Burkholderia-Keime nicht nur über das Verschmelzen von Zellen ausbreiten, sondern auch, indem sie selbst direkt von Zelle zu Zelle wandern», erklärt Erstautor Dr. Miro Plum. Durch das Abschnüren der Membran-Ausstülpung entsteht in der benachbarten Zelle eine Art «Bläschen», auch Vakuole genannt. Indem der Erreger die umgebende Zellmembran mit seiner T6SS-Harpune zerstört, befreit er sich aus dieser Vakuole und befindet sich nun in der neuen Zelle.

Erstaunlicherweise können die Bakterien durch diese Art der Verbreitung neue Zellen infizieren, ohne das Immunsystem zu alarmieren. «Normalerweise erkennen infizierte Zellen fremde Eindringlinge anhand von Membranschäden und lösen dann eine Immunreaktion aus, um den Erreger zu eliminieren», sagt Plum. «Zellmembranen, die mithilfe des T6SS beschädigt wurden, können die Zellen jedoch nicht erkennen». So bleibt der Erreger unentdeckt und kann ungehindert neue Zellen infizieren.

Forschung zur Überlebenstaktik von intrazellulären Krankheitserregern

Dank der T6SS-Nanomaschine können Burkholderia-Bakterien also eine Doppelstrategie fahren: Zellen verschmelzen oder direkt von einer Zelle zur anderen wandern. «Unsere Arbeit liefert neue Einblicke in das Infektionsgeschehen, insbesondere über die Fähigkeit von Burkholderia, sich unbemerkt vom Immunsystem im Körper auszubreiten», fasst Basler zusammen. Die Forschenden wollen nun untersuchen, was genau den Zusammenbau der T6SS-Harpune bei den Bakterien in den Membran-Ausstülpungen auslöst und so mehr über deren Überlebensstrategie herausfinden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Marek Basler, UNiversität Basel, Biozentrum, E-Mail: marek.basler@unibas.ch


Originalpublikation:

Miro Thorsten Wilhelm Plum, Hoi Ching Cheung, Patricia Reist Iscar, Yahua Chen, Yunn-Hwen Gan, Marek Basler
Burkholderia thailandensis uses a type VI secretion system to lyse protrusions without triggering host cell responses
Cell Host & Microbe (2024), doi: 10.1016/j.chom.2024.03.013
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1931312824001136?via%3Dihub


Bilder

Der Erreger Burkholderia thailandensis (violett) verwendet Zellbestandteile (gelb), um die Membran von einer Wirtszelle (grün) in die benachbarte auszustülpen.

Der Erreger Burkholderia thailandensis (violett) verwendet Zellbestandteile (gelb), um die Membran v
Biozentrum, Universität Basel
Biozentrum, Universität Basel


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW