13.04.2022 11:16
„Es gibt noch Nachholbedarf!“
Versorgungsforscher*innen der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) präsentieren im Rahmen eines Symposiums erste Ergebnisse des Innovationsfondsprojekts ZWEIT und zeigen Schwachstellen bei der bisherigen Umsetzung der Zweitmeinungsrichtlinie auf. Mit den gewonnenen Erkenntnissen lässt sich zukünftig die Versorgungssituation von Patientinnen und Patienten evidenzbasiert deutlich verbessern.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Nach mehr als drei Jahren intensiver Forschung rund um das Thema Zweitmeinung präsentierten Versorgungsforscher*innen der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) im Rahmen des Symposiums „Zeit für ZWEIT“ erste Ergebnisse des Innovationsfondsprojekts ZWEIT und zeigten Schwachstellen bei der bisherigen Umsetzung der Zweitmeinungsrichtlinie auf.
„Um eine bedarfs- und patient*innengerechte Gesundheitsversorgung zu sichern, wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren verabschiedet und damit ein gesetzlicher Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung geschaffen. Sie sollte den Patient*innen bei planbaren Fällen die Möglichkeit geben, eine zweite unabhängige ärztliche Meinung einzuholen. Hierdurch sollten u.a. unnötige Operationen vermieden, die Teilhabe von Patient*innen an medizinischen Entscheidungen erhöht und die Zufriedenheit von Patient*innen gesteigert werden. Wir sind sehr stolz, dass wir jetzt nach jahrelanger Forschungsarbeit im Rahmen des Symposiums erste Ergebnisse zur Bewertung des Zweitmeinungsverfahrens vorstellen konnten“, sagt Prof. Edmund Neugebauer, ZWEIT-Projektleiter und ehemaliger Präsident der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB).
Auch die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Dunja Bruch und Susann May ziehen ein positives Fazit, die Ergebnisse haben sie teilweise sehr überrascht: „In dem Projekt liegt der große Schwerpunkt auf der Perspektive der Patient*innen und der Ärzt*innen. Wir haben in dem Projekt untersucht, inwieweit die aktuelle Versorgungssituation zur Zweitmeinung den Bedürfnissen der Nutzer*innen entspricht – oder eben auch nicht. Die Ergebnisse sind für uns in weiten Teilen tatsächlich sehr überraschend gewesen. So konnten wir etwa feststellen, dass die Umsetzung der neuen Zweitmeinungsrichtlinie noch vor Herausforderungen steht und dass in der Öffentlichkeit nach wie vor große Informationsdefizite über Zweitmeinungsangebote bestehen. Mit den von uns gewonnenen Erkenntnissen lässt sich zukünftig die Versorgungssituation evidenzbasiert deutlich verbessern“, resümieren die beiden Forscherinnen.
Prof. Neugebauer ist sich ebenfalls sicher, dass es noch viel zu tun gibt: „Der gesetzliche Anspruch, dass Patient*innen sich vor einer Operation eine zweite unabhängige ärztliche Meinung einholen dürfen, ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Unsere Forschungsergebnisse haben aber auch gezeigt, dass das Zweitmeinungsverfahren in seiner aktuellen Form noch nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der Patient*innen ausgerichtet ist und es hier noch großen Nachholbedarf gibt.“
Michael Zaske, Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium, sieht in den erzielten Ergebnissen einen ersten wichtigen Schritt zur Verbesserung der Richtlinie: „Das Innovationsfondsprojekt ZWEIT liefert einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Zweitmeinungsverfahrens. Das ist wichtig, damit Patientinnen und Patienten tatsächlich eine informierte Entscheidung über eine Therapie treffen können. Die Einbindung der Behandelnden macht es möglich, dass die Zweitmeinungsrichtlinie auf ihre Praxistauglichkeit überprüft wird und Handlungsempfehlungen für den Versorgungsalltag abgeleitet werden.“
An der Veranstaltung, die sowohl vor Ort in Potsdam als auch virtuell stattfand, nahmen insgesamt rund 70 Personen teil.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Edmund Neugebauer
ZWEIT-Projektleiter und Past-Präsident der MHB
edmund.neugebauer@mhb-fontane.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
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