Feindliche Übernahme in der Zelle: Krankheitserreger kapern die Mitochondrien des Wirts



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13.01.2022 20:00

Feindliche Übernahme in der Zelle: Krankheitserreger kapern die Mitochondrien des Wirts

Mitochondrien sind bekannt dafür, Energie für unsere Zellen zu liefern, aber sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern. Sie können Immunreaktionen auslösen und Krankheitserregern die Nährstoffe entziehen, die diese für ihr Wachstum benötigen. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Lena Pernas vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln hat nun gezeigt, dass Krankheitserreger die mitochondrialen Abwehrmechanismen ausschalten können, indem sie eine normale zelluläre Reaktion auf Stress aushebeln.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
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Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Um zu überleben, müssen Krankheitserreger nicht nur die Abwehrmechanismen des Wirts ausschalten, sondern auch, wenn sie in die Zelle eingedrungen sind, Nährstoffe von ihrem Wirt beziehen. Eine dieser Abwehrmechanismen kommt von den Mitochondrien des Wirts, die den Erregern die benötigten Nährstoffe entziehen und so ihr Wachstum einschränken. “Wir wollten wissen, wie sich das Verhalten der Mitochondrien sonst noch verändert, wenn Mitochondrien und Krankheitserreger in der Zelle aufeinandertreffen. Da die äußere Membran dieser Organellen der erste Kontaktpunkt mit den Eindringlingen ist, haben wir uns diese genauer angeschaut”, erklärt Lena Pernas, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns.

Mitochondrien stoßen ihre “Haut” ab

Die Forschenden infizierten Zellen mit dem menschlichen Parasiten Toxoplasma gondii und beobachteten live unter dem Mikroskop, was mit der äußeren Membran der Mitochondrien passiert. “Wir sahen, dass Mitochondrien, die mit dem Parasiten in Kontakt kamen, große Strukturen von ihrer äußeren Membran ablösten. Das war für uns sehr rätselhaft. Warum sollten Mitochondrien das abstoßen, was im Grunde das Bindeglied zwischen ihnen und dem Rest der Zelle ist?”, sagt Xianhe Li, Erstautor der Studie.

Feindliche Übernahme

Aber wie bringt der Parasit die Mitochondrien dazu, dies zu tun? Das Forschungsteam konnte zeigen, dass der Erreger über ein Protein verfügt, das ein mitochondriales Wirtsprotein nachahmt. Es bindet an einen Rezeptor auf der äußeren Membran der Mitochondrien, um Zugang zu der Maschinerie zu erhalten, die dafür sorgt, dass Proteine in Mitochondrien importiert werden. “Auf diese Weise kapert der Parasit eine normale Reaktion des Wirts auf mitochondrialen Stress. Dies führt zu einer Entwaffnung der Mitochondrien”, so Pernas. “Andere Forschende haben gezeigt, dass ein Protein des SARS-CoV-2-Virus ebenfalls an diesen Transportrezeptor bindet. Dies deutet darauf hin, dass der Rezeptor eine wichtige Rolle bei der Interaktion zwischen Wirt und Krankheitserreger spielt. Es sind jedoch weitere Untersuchungen erforderlich, um seine Rolle bei verschiedenen Infektionen besser zu verstehen.“

Lena Pernas ist auch Gruppenleiterin am CECAD Exzellenzcluster für Alternsforschung an der Universität zu Köln.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Lena Pernas, 0221 379 70 770, LPernas@age.mpg.de


Originalpublikation:

Xianhe Li, Julian Straub, Tânia Catarina Medeiros, Chahat Mehra, Fabian den Brave, Esra Peker, Ilian Atanassov, Katharina Stillger, Jonas Benjamin Michaelis, Emma Burbridge, Colin Adrain, Christian Münch, Jan Riemer, Thomas Becker, Lena F. Pernas
Mitochondria shed their outer membrane in response to infection-induced stress
Science, Jan 14 2022


Weitere Informationen:

http://www.age.mpg.de


Anhang

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW