Folgen neurointensivmedizinischer Komplikationen von COVID-19



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16.06.2022 08:54

Folgen neurointensivmedizinischer Komplikationen von COVID-19

Patienten, die infolge einer SARS-Cov-2-Infektion intensivpflichtig werden, können schwerwiegende neurologische Manifestationen entwickeln; die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) berichtete darüber https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34311778/ (1). Aus mehreren Studien, die auch COVID-19-Intensivpatienten enthielten oder auf diese fokussiert waren, ergaben sich je nach Selektions- und Definitionskriterien Häufigkeiten solcher Affektionen des Nervensystems von ca. 13-50% und Assoziationen mit höherer Mortalität und Morbidität https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34411383/ (2).

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die mit Unterstützung der DGNI durchgeführte IGNITE-Studie PANDEMIC https://www.dgni.de/forschung/ignite-initiative-klinischer-multizenter-studien/a… fokussiert sich rein auf COVID-19-Intensivpatienten und fand, vergleichbar mit anderen Studien, als häufigste Manifestationen Enzephalopathien, ischämische/ hämorrhagische Schlaganfälle und neuromuskuläre Komplikationen wie die Critical Illness Neuropathie/Myopathie (Dimitriadis et al., submitted). Gut passend dazu und wenig überraschend werden in der neurorehabilitativen Literatur zu dieser Patientengruppe fortbestehende Lähmungen, kognitive und emotionale Symptome berichtet (3). Diese können Ausprägungen eines Post-Covid-Syndroms (Symptome >2 Monate andauernd, >3 Monate nach Infektion (noch) vorhanden) darstellen, das in anderer Form sonst auch nach milden oder moderaten COVID-19-Verläufen auftritt.

Die Mechanismen, die für ein Post-Covid-Syndrom postuliert werden, umfassen Neurotransmitter-Imbalancen, postinfektiöse Entzündungen, endothelial-mikrozirkulatorische und immunvermittelte (z.B. Zytokin- und Antikörper-assoziierte) Prozesse. Neurologische Manifestationen des COVID-19-Intensivpatienten sollten aktiv gesucht werden und Anlass zu einer Neuro-Frührehabilitation geben https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-144LG.html (4). Die medizinischen und gesellschaftlichen Langzeitfolgen durch anhaltende Symptome wie Fatigue, neurokognitiver Abbau, neuropsychiatrische Defizite und motorische Einschränkungen dürften enorm sein, sind aber hinsichtlich ihrer Bedeutung noch nicht ausreichend untersucht.

Insgesamt erinnern diese Langzeitfolgen stark an das Post-Intensive-Care-Syndrome (PICS), für das mechanistisch vaskuläre, hypoxische, Zytokin- und Mikroglia-assoziierte Prozesse angenommen werden. Die Neuro-COVID assoziierten Langzeitfolgen und diejenigen, die mit der Intensivtherapie (Beatmung, Sedierung, Organersatzverfahren, Medikamente, Delir,…) und/ oder Organschäden wie dem ARDS assoziiert sind, lassen sich in dieser Patientengruppe kaum voneinander trennen. Und ebenso wie beim PICS gibt es für die neurointensivmedizinischen Folgen von COVID-19 bisher keine bekannten kausalen Therapien, sondern multimodale supportiv-symptomatische Ansätze, die allerdings in Ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden sollten.

Für Neuro-Intensivmediziner:innen, die konsiliarisch zu COVID-19-Intensivpatienten hinzugezogen werden, sollte daraus erwachsen, dass sie neurologische Manifestationen in dieser Population aktiv suchen, eine angepasste Diagnostik durchführen (lassen) und dazu beitragen, diese Patienten einer neurologischen Früh-Rehabilitation zuzuführen. Während der Intensivphase erscheinen die leitliniengerechte Therapie von COVID-19, die symptomorientierte neurologische/ neurochirurgische Therapie und die Erwägung immunmodulatorischer Therapieansätze (z.B. bei Enzephalopathien oder Neuropathien), die zunehmend positiv berichtet werden, besonders wichtig.

Die komplette Literaturliste zu diesen Ausführungen ist einsehbar unter https://www.dgni.de/presse/829-prof-dr-julian-boesl-ueber-die-folgen-neurointens…


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. med. Julian Bösel, FNCS, FESO
Präsident der DGNI
E-Mail: Julian.Boesel@gnh.net


Originalpublikation:

1. Leven Y, Bösel J. Neurologic manifestations of COVID-19 – an approach to categories of pathology. Neurologic Research and Practice 2021; 3(1):39
2. u. a. Helms J, Kremer S, Merdji H, et al. Neurologic features in severe SARS-CoV-2 Infection. N Engl J Med 2020; 382(23):2268-2270
3. u.a. Hosp JA, Dressing A, Blazhents G, et al. Cognitive impairment and altered cerebral glucose metabolismus in the subacute stage of COVID-19. Brain 2021; 144(4): 1263-1276
4. Berlit P. et al., Neurologische Manifestationen bei COVID-19, S1-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. AWMF Reg 030/144LG


Weitere Informationen:

http://www.dgni.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW