H7N9-Vogelgrippe beim Menschen: Geschlechtsunterschiede im Krankheitsverlauf



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15.11.2022 16:21

H7N9-Vogelgrippe beim Menschen: Geschlechtsunterschiede im Krankheitsverlauf

Ein interdisziplinäres Team des Leibniz-Instituts für Virologie und des CDC China zeigt erstmals, dass eine Infektion mit dem Vogelgrippevirus H7N9 die Hormonachse von Männern, nicht aber von Frauen angreift. Die Wissenschaftler:innen analysierten retrospektiv eine der größten humanen H7N9-Vogelgrippevirus Kohorte und zeigten, dass ein niedriger Testosteronspiegel mit der Entwicklung einer schweren oder sogar tödlichen Erkrankung bei Männern verbunden ist. Im Gegensatz dazu hatte die saisonale H1N1- oder H3N2-Influenza keine signifikanten Auswirkungen auf die Hormonachse. Die Studie identifiziert niedrige Testosteronwerte als einen schlechten Prognosemarker bei Männern.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Aviäre Influenzaviren des H7N9-Subtyps (H7N9-Vogelgrippeviren) zeichnen sich durch ein großes epidemisches und pandemisches Potenzial aus. Im März 2013 haben H7N9-Vogelgrippeviren zum ersten Mal Speziesbarrieren übersprungen und sind von Vögeln auf den Menschen übergegangen. Hierbei waren Männer häufiger betroffen als Frauen. In den folgenden fünf Epidemiewellen war die Inzidenz von H7N9 bei Männern wiederholt höher als bei Frauen.

Um die Mechanismen hinter diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden zu entschlüsseln, analysierte das deutsch-chinesische Team Patient:innen mit einer im Labor bestätigten H7N9-Infektion und verglich sie mit H7N9-negativen engen Kontaktpersonen sowie mit Patienten mit einer saisonalen Grippeinfektion. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass eine H7N9-Infektion die Hormonachse bei Männern spezifisch angreift, bei Frauen jedoch nicht. Bei Männern führt eine H7N9-Infektion zu einem niedrigen Testosteronspiegel, der mit einem schweren und sogar tödlichen Ausgang korreliert. In Mausmodellen bestätigen die Autoren den kausalen Zusammenhang zwischen H7N9-Infektion und Testosteronmangel bei Männern. Sie zeigen außerdem, dass sich das Vogelgrippevirus H7N9 in den Hoden von Mäusen repliziert und eine lokale und systemische Entzündung auslöst, die wahrscheinlich die Testosteronproduktion beeinträchtigt.

BLAUPAUSE FÜR ANDERE VIRUSINFEKTIONEN DER ATEMWEGE

Bislang ist nur sehr wenig über die molekularen Mechanismen bekannt, die zu geschlechtsspezifischen Krankheitsverläufen bei Infektionen mit Atemwegsviren führen. Diese Studie könnte als Blaupause für die Untersuchung von Geschlechtsunterschieden bei anderen Atemwegsinfektionen dienen, einschließlich SARS-CoV-2, wie es bei der aktuellen Pandemie beobachtet wurde.

„Vogelgrippeviren stellen weiterhin ein hohes epidemisches und pandemisches Risiko dar. Die Saison 2021/2022 war die größte Vogelgrippe-Epidemie, die weltweit einschließlich Europa verzeichnet wurde. Daher ist das Verständnis der molekularen Mechanismen, die den geschlechtsspezifischen Krankheitsverlauf vermitteln, für ein individuelles Patient:innenmanagement von entscheidender Bedeutung”, erklärt Prof. Gülşah Gabriel, Leiterin der LIV-Forschungseinheit Virale Zoonosen – One Health und Professorin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

„Die strenge Überwachung und die massive Impfung von Geflügel haben bisher eine weitere Ausbreitung des H7N9-Virus auf den Menschen verhindert. Aber Vogelgrippeviren entwickeln sich weiter und erfordern hohe Wachsamkeit”, sagt Prof. Yuelong Shu, ehemaliger Direktor des Chinesischen Nationalen Influenzazentrums beim Chinesischen CDC.

Die folgenden Institutionen sind an der Studie beteiligt: Leibniz-Institut für Virologie (Hamburg, Deutschland), Sun Yat-sen University (Shenzhen, China), Chinese Center for Disease Control and Prevention (China CDC, Peking, China), Chinese Academy of Medical Sciences & Peking Union Medical College (Peking, China), Tierärztliche Hochschule (Hannover, Deutschland), Justus-Liebig Universität (Gießen, Deutschland) und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Deutschland).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Gülsah Gabriel:
guelsah.gabriel@leibniz-liv.de
Leibniz-Institut für Virologie, Hamburg


Originalpublikation:

Tian Bai, Yongkun Chen, Sebastian Beck, Stephanie Stanelle-Bertram, Nancy Kouassi Mounogou, Tao Chen, Jie Dong, Bettina Schneider, Tingting Jia, Jing Yang, Lijie Wang, Andreas Meinhardt, Antonia Zapf, Lothar Kreienbrock, Dayan Wang, Yuelong Shu, Gülşah Gabriel. H7N9 avian influenza virus infection in men is associated with testosterone depletion. Nat Commun 13, 6936 (2022).
https://doi.org/10.1038/s41467-022-34500-5


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW