Leberkrebs: Wie eine Leberzelle auf Abwege gerät



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21.11.2022 10:44

Leberkrebs: Wie eine Leberzelle auf Abwege gerät

Leberkrebs ist eine der tödlichsten Krebsarten. Ein Forschungsteam der Universität Basel hat nun herausgefunden, wie eine gesunde Leberzelle auf Abwege gerät und zur Tumorzelle wird. Umfangreiche Veränderungen im Stoffwechsel verwandeln reife Leberzellen zu unreifen Vorläuferzellen zurück. Diese vermehren sich rasant und es entstehen Tumore.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Die Ursachen für Leberkrebs sind vielfältig. Neben Stoffwechselstörungen wie sie bei Fettleibigkeit auftreten, sind es in den westlichen Industrieländern vor allem Infektionen mit dem Hepatitis C-Virus sowie ein hoher Alkoholkonsum. Auch wenn Leberzellkrebs im Vergleich zu anderen Krebsarten relativ selten vorkommt, gehört er aufgrund der schlechten Prognose zu den häufigsten krebsbedingten Todesursachen.

Wie alle Tumorzellen so wachsen auch Leberkrebszellen rasant und unkontrolliert. Dabei stellen sie ihren gesamten Stoffwechsel grundlegend um. In der Fachzeitschrift «Molecular Cell» berichten Forschende um Prof. Dr. Michael N. Hall vom Biozentrum der Universität Basel nun, dass die Krebszellen die Produktion eines zentralen Stoffwechselmoleküls stark drosseln. Auf diese Weise wird der Stoffwechsel neu verschaltet und die Tumorzellen können schneller wachsen.

Die Leber ist das grösste Stoffwechselorgan unseres Körpers. Sie verarbeitet und speichert Nährstoffe und baut Schadstoffe ab. Wenn sich eine gesunde Leberzelle in eine Krebszelle verwandelt, verliert sie ihre Funktion. «Tumorzellen sind egoistisch. Sie verändern ihren Stoffwechsel so, dass sie möglichst rasch wachsen», erklärt der Krebsforscher Dr. Dirk Mossmann. «Gleichzeitig vernachlässigen sie alle ihre Aufgaben als Leberzelle. Deshalb ist bei Krebspatienten die Leberfunktion beeinträchtigt.»

Beträchtliche Umstellungen im Stoffwechsel

Im Zellstoffwechsel spielt das Molekül Acetyl-CoA eine zentrale Rolle. Es ist Endprodukt vieler Abbauwege und wird gleichzeitig dafür gebraucht, zahlreiche andere Moleküle herzustellen oder sie chemisch zu verändern. «Wir haben herausgefunden, dass in Leberkrebszellen alle möglichen Stoffwechselwege, bei denen Acetyl-CoA entsteht, heruntergefahren sind», erklärt Dr. Sujin Park, Erstautorin der Studie. «Dies wirkt sich auf viele andere Proteine aus wie etwa Stoffwechselenzyme. Die Funktion der Enzyme verändert sich, da sie nicht mehr durch Acetyl-CoA modifiziert werden. Den Tumorzellen kann das helfen, Zucker besser abzubauen und Energie daraus zu gewinnen.»

Ein weiterer Effekt ist, dass Acetyl-CoA die Differenzierung von Zellen beeinflusst. Durch einen niedrigen Acetyl-CoA-Spiegel werden die Leberzellen umprogrammiert und in ein frühes, unreifes Entwicklungsstadium zurückversetzt. Sie verlieren ihre charakteristische Funktion und beginnen sich schnell zu teilen. «Wir haben uns gefragt, wie es möglich ist, dass in den Tumorzellen sämtliche Acetyl-CoA-Stoffwechselwege lahmgelegt sind.», sagt Mossmann. «Die Antwort lieferten zwei Proteine, sogenannte Transkriptionsfaktoren. Sie steuern das Ablesen eines breiten Spektrums an Genen und stellen so den Stoffwechsel komplett um.»

Krebs mit bestimmter Signatur

Diesen Mechanismus konnten die Forschenden auch in Lebertumoren von Mäusen sowie Patientinnen und Patienten beobachten. Die Patienten-Tumorproben erhielten sie von Prof. Markus Heim vom Departement Biomedizin der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel. «Die beiden Transkriptionsfaktoren sind tatsächlich die zentralen Player. Hemmen wir sie, bilden die Mäuse keine Lebertumore mehr», so Park. «Die umfangreichen Stoffwechselveränderungen in den Tumorzellen ergeben zudem eine typische Signatur, die sich auch bei anderen Krebsarten wie Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs finden lässt.»

Die typische Stoffwechselsignatur von Krebs sagt auch etwas über den Verlauf der Erkrankung aus. Sie ist mit einer geringeren Überlebensrate verbunden. Eines der grössten Probleme bei Leberkrebs ist, dass die Erkrankung lange Zeit symptomlos verläuft und der Krebs daher erst in einem späten, fortgeschrittenen Stadium erkannt wird. Eine Operation oder Lebertransplantation ist dann oft nicht mehr möglich. Eine spannende Frage ist daher, wann sich diese Krebssignatur herausbildet und ob sie sich als Biomarker für Screenings eignet, um Leberkrebs in einem frühen, therapierbaren Stadium zu diagnostizieren.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Michael N. Hall, Biozentrum, Universität Basel, m.hall@unibas.ch


Originalpublikation:

Sujin Park et al.
Transcription factors TEAD2 and E2A globally repress acetyl-CoA synthesis to promote tumorigenesis
Molecular Cell (2022), doi: 10.1016/j.molcel.2022.10.027


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW