Migrationsstatus ohne Nachteil nach Stent-Eingriff



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04.03.2022 09:00

Migrationsstatus ohne Nachteil nach Stent-Eingriff

Ein Forschungsteam aus dem Inselspital, Universitätsspital Bern und der Universität Bern konnte zeigen, dass untervertretene Gruppen bei der Behandlung und Rehabilitation von Herzkranzgefässerkrankungen nicht benachteiligt sind. Jedoch sind ältere Personen und Frauen in ambulanten Rehabilitationsprogrammen untervertreten. Es besteht Handlungsbedarf zur Motivation dieser Gruppen.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

In Forschungsarbeiten zu kardiologischen Studien sind bestimmte Gruppen generell wenig vertreten. Das sind insbesondere Personen mit Migrationsstatus, Frauen und ältere Leute. Die Untervertretung in Studien könnte zur Folge haben, dass auch die Behandlungsergebnisse in diesen Gruppen langfristig weniger gut sind als in der Gesamtpopulation. Die vorliegende Studie untersuchte, ob es einen statistischen Zusammenhang gibt zwischen unterrepräsentierten Gruppen und der Sterblichkeit in der Behandlung und Rehabilitation von Herzkranzgefässkrankheiten.

Das Alter macht den Unterschied
Entgegen der ursprünglichen Vermutung macht einzig das Alter einen statistisch signifikanten Unterschied bei der Sterblichkeit nach schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Ereignissen. Dazu hält Erstautorin Dr. Nathalia Gonzalez-Jaramillo, PhD-Studierende am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern, fest: «Das Geschlecht und der Migrationsstatus zeigen keinen signifikanten Zusammenhang mit der Sterblichkeit. Diese Ergebnisse wurden in der Schweiz, einem Land mit einer gut erreichbaren medizinischen Versorgung sowie einer guten Krankenversicherung erhoben. Eine Übertragbarkeit in andere Länder ist deshalb nicht ohne Weiteres gegeben.»

Umfangreiche Studie
Die vorliegende Studie untersuchte mehr als 15 000 Patientinnen und Patienten, die in den Jahren 2009 bis 2018 eine Intervention an ihren Herzkranzgefässen erhalten hatten und im CARDIOBASE-Bern-PCI-Register eingeschlossen wurden. Die Hypothese war, dass es eine statistisch relevante Beziehung geben könnte zwischen untervertretenen Gruppen und a) der Sterblichkeit nach schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Ereignissen sowie b) der Wirksamkeit einer Teilnahme an einem Herz-Kreislauf-Rehabilitationsprogramm.

Migrationsstatus ist kein Nachteil
Es konnte nachgewiesen werden, dass Personen mit einem Migrationsstatus nicht weniger zu ambulanten Rehabilitationsprogrammen zugewiesen wurden als die Referenzgruppe. Prof. Dr. med. Matthias Wilhelm, Studienleiter und Leiter Präventive Kardiologie und Sportmedizin am Inselspital Bern, bemerkt dazu: «Erfreulich war, dass Migrantinnen und Migranten bezüglich Akutbehandlung, Teilnahme an der kardialen Rehabilitation und hinsichtlich Behandlungsergebnis nicht benachteiligt waren.»

Frauen und ältere Personen machen bei Reha-Massnahmen weniger mit
Ein überraschendes Ergebnis war hingegen, dass Frauen und ältere Personen eine geringere Beteiligung an Rehabilitationsprogrammen zeigten. Diese Beobachtung wird von den Autorinnen und Autoren als wichtig erachtet. Sie weisen darauf hin, dass in der klinischen Praxis hier noch ein Bedarf an mehr Sensibilisierung besteht. Dies ist umso wichtiger, als der positive Effekt der Teilnahme an diesen Programmen auf die Gesamt- und Herz-Kreislauf-Sterblichkeit in allen Gruppen deutlich war.

Niederschwellige Angebote ausbauen
Die Universitätsklinik für Kardiologie am Inselspital verfügt über langjährige Erfahrung mit der Sensibilisierung und der Motivation von Patientinnen und Patienten in Rehabilitationsprogrammen. Die Studie zeigt, dass trotz dieser Bemühungen nur zirka ein Drittel aller geeigneter Patientinnen und Patienten an den bestehenden ambulanten Programmen teilnimmt. Daraus lässt sich folgern, dass bestehende Angebote die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten noch stärker berücksichtigen müssen und niederschwelligere Alternativen wie die Telerehabilitation ausgebaut werden sollten. Der Studienleiter Matthias Wilhelm dazu: «Wir haben als ‹Hospital for Equity› über Jahre daran gearbeitet, dass Menschen aus verschiedenen sozioökonomischen Verhältnissen und unterschiedlichen Kulturen bei uns genau die gleiche Behandlung erhalten, wie alle anderen auch. Das Ergebnis bestärkt uns in unserer Haltung. Künftig werden wir noch mehr auf individualisierte Lösungen hinarbeiten und die Möglichkeiten von Telemedizin und Mobile Health (mHealth), die aktuell schon eingesetzt werden, weiterentwickeln».


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

– Dr. Nathalia Jaramillo-Gonzalez, PhD-student, Institute for Social and Preventive Medicine, Universität Bern
– Prof. Dr. med. Matthias Wilhelm, Leitender Arzt, Leiter Präventive Kardiologie und Sportmedizin am Inselspital, Universitätsspital Bern


Originalpublikation:

Nathalia Gonzalez-Jaramillo, Thimo Marcin, Sophia Matter, Prisca Eser, Claudia Berlin, Arjola Bano, Dik Heg, Oscar H Franco, Stephan Windecker, Lorenz Räber, Matthias Wilhelm, Clinical outcomes and cardiac rehabilitation in underrepresented groups after percutaneous coronary intervention: an observational study, European Journal of Preventive Cardiology, 2021;, zwab204,
DOI: https://doi.org/10.1093/eurjpc/zwab204


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW