Möglicher Biomarker für MS-ähnliche Autoimmunerkrankung entdeckt



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08.08.2023 08:22

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Möglicher Biomarker für MS-ähnliche Autoimmunerkrankung entdeckt

Seit einigen Jahren weiss man, dass sich hinter «Multiple Sklerose» eine ganze Reihe unterschiedlicher Erkrankungen verbergen, die auch angepasste Therapien erfordern. Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel beschreiben nun eine weitere MS-ähnliche Erkrankung und erklären, wie sie sich diagnostizieren lässt.

Typisch für Multiple Sklerose (MS) sind die Entzündungsherde im zentralen Nervensystem: Das Immunsystem richtet sich gegen körpereigene Strukturen und zerstört die Hülle der Nervenfortsätze, die sogenannte Myelinschicht. Das Bild, das die Forschung inzwischen von der Krankheit hat, ist aber noch um einiges komplexer. Sie kann verschiedene neurologische Symptome wie Missempfindungen und Lähmungen in den Gliedmassen verursachen, die kontinuierlich oder schubweise schlimmer werden. Welche Teile des Nervensystems betroffen sind, kann zwischen Betroffenen stark variieren. Bei manchen Patientinnen und Patienten wirkt eine bestimmte Therapie, bei anderen verschlechtert sie den Zustand sogar.

«Es gibt eine riesige Vielfalt, wie sich entzündliche Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems wie die Multiple Sklerose zeigen», erklärt Prof. Dr. Anne-Katrin Pröbstel von der Universität und dem Universitätsspital Basel. Seit etwa zehn Jahren entdecken Forschende nach und nach die entscheidenden Besonderheiten hinter «untypischen» MS-Fällen. Einige dieser Autoimmunerkrankungen, die ebenfalls die Myelinschicht zerstören, erhielten andere Bezeichnungen, um sie besser von MS abzugrenzen. Betroffene haben Entzündungsherde etwa vor allem im Rückenmark und im Sehnerv.

Nun hat das Team um Pröbstel in einer Studie mit rund 1300 Patientinnen und Patienten einen Biomarker entdeckt, durch den sich möglicherweise eine weitere MS-verwandte Erkrankung von den anderen differenzieren lässt. Davon berichten die Forschenden im Fachjournal «JAMA Neurology».

Antikörper als Biomarker

Bei einer Gruppe von Patientinnen und Patienten stellten sie einen bestimmten Antikörper des Typs Immunglobulin A (IgA) fest, der sich gegen einen Baustein der Myelinschicht mit der Bezeichnung «MOG» (für Myelin Oligodendrozyten Glykoprotein) richtet. IgA-Antikörper sind typischerweise für den Schutz der Schleimhäute zuständig.

Die genaue Rolle der MOG-IgA im Zuge der Autoimmunerkrankung ist allerdings noch unklar. «Bei den Betroffenen fokussieren sich die Entzündungsherde vor allem auf das Rückenmark und den Hirnstamm», erklärt Pröbstel. Andere typische Biomarker in Zusammenhang mit MS oder verwandten Erkrankungen fehlten jedoch bei dieser Gruppe von Patientinnen und Patienten.

In einem nächsten Schritt möchten die Forschenden die Rolle des MOG-IgA und die daraus resultierenden klinischen Merkmale genauer entschlüsseln. «Indem wir die myelinzerstörenden Autoimmunerkrankungen, die früher alle unter MS liefen, genauer ausdifferenzieren, machen wir einen wichtigen Schritt hin zum besseren Verständnis der Krankheitsursachen und somit hin zu individualisierten Therapien», sagt die Neurologin. Dadurch hoffen die Forschenden letztlich herauszufinden, welche Therapie unter welchen Voraussetzungen am besten hilft.

Zum Projekt

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit der Universidade de São Paulo in Brasilien und mehreren deutschen Universitäten (Charité Berlin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Ruhr-Universität Bochum) durchgeführt. Das Forschungsteam der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals Basel sowie den Departmenten Biomedizin, Klinische Forschung und dem Research Center for Clinical Neuroimmunology and Neuroscience der Universität Basel erhielt Finanzierung für die Studie durch die Stiftung Propatient des Universitätsspitals Basel, die Goldschmidt-Jacobson Stiftung, die Fondation Pierre Mercier pour la Science, die National Multiple Sclerosis Society, und den Schweizerischen Nationalfonds. Die beiden Erstautorinnen erhielten Stipendien durch das European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis Clinical Fellowship sowie das Swiss Government Excellence Scholarship (Ana Gomes) und das Trygve Tellefsens Legat Scholarship (Laila Kulsvehagen).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Anne-Katrin Pröbstel, Universität Basel, Universitätsspital Basel, E-Mail: Anne-Katrin.Proebstel@usb.ch


Originalpublikation:

Gomes, Kulsvehagen et al.
MOG-IgA characterizes a subgroup of patients with central nervous system demyelination
JAMA Neurology (2023), doi: 10.1001/jamaneurol.2023.2523
https://jamanetwork.com/journals/jamaneurology/fullarticle/2808235


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW