09.06.2022 20:26
Neue Behandlungsoption für die Zweitlinientherapie beim fortgeschrittenen Speiseröhrenkrebs
An der UMM initiierte RAMONA-Studie weist weltweit erstmalig eine Kombinationstherapie mit zwei Checkpoint-Inhibitoren als sicher und wirksam für ältere Patient:innen aus
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Patient:innen mit einem fortgeschrittenen Speiseröhrenkrebs, die auf die übliche Strahlentherapie oder Chemotherapie nicht ansprechen, haben eine schlechte Prognose im Hinblick auf die ihnen verbleibende Lebenszeit. Die meisten dieser Patient:innen sind über 65 Jahre alt und weisen häufig erhebliche Begleiterkrankungen auf. Die „RAMONA-Studie“, unter Leitung von Professor Dr. Matthias Ebert von der II. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), wurde in über 30 Zentren in Deutschland durchgeführt und zeigt jetzt erstmals eine vielversprechende neue Behandlungsoption für diese Patient:innen auf. Es ist eine Immuntherapie, die zwei sogenannte Checkpoint-Inhibitoren kombiniert: einen PD-1-Antikörper (Nivolumab) und einen CTLA4-Antikörper (Ipilimumab).
Bis dahin war diskutiert worden, ob Checkpoint-Inhibitoren überhaupt von dieser besonders empfindlichen Population älterer Patient:innen vertragen wird. Die Studie beschreibt nun erstmals die Sicherheit, aber auch die Wirksamkeit von Checkpoint-Inhibitoren in dieser Patientenpopulation. Die Gesamtüberlebenszeit unter der Kombinationstherapie war signifikant höher im Vergleich zu einer historischen Kontrollgruppe, die eine Standard-Chemotherapie erhalten hatte.
Hintergrund der RAMONA-Studie waren große klinische Studien der Phase III in Asien, die den PD-1-Antikörper als mögliche wirksame Therapie dieser bösartigen Erkrankung in den Fokus rückten. PD-1-Antikörper sind eine Untergruppe der Checkpoint-Inhibitoren, die sich gegen den Immun-Checkpoint PD-1 richten. Sie hemmen den PD-1-Rezeptor und lösen damit die durch PD-1 vermittelte Immunbremse. Eine Behandlung mit dem PD-1-Inhibitor führte bei den Patient:innen dieser Studien zu einem verbesserten progressionsfreien und längerem Überleben.
Da diese Studien jedoch überwiegend mit asiatischen Patient:innen durchgeführt wurden, die darüber hinaus oft deutlich jünger waren als es die hiesigen Patient:innen üblicherweise sind, sind die Ergebnisse dieser Studien auf Patienten in Europa nur bedingt übertragbar.
In der in Mannheim initiierten „RAMONA-Studie“ wurden nun erstmals ausschließlich ältere Patient:innen mit der Kombination eines PD-1-Antikörpers und eines CTLA4-Antikörpers behandelt. Die „RAMONA-Studie“ ist daher weltweit die erste prospektive, multizentrische Studie der Phase II für Patient:innen mit einem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre aus Europa, im Alter von 65 Jahren und älter, die eine duale Kombinationstherapie mit Checkpoint-Inhibitoren untersucht.
„Unsere Studie zeigt erstmalig, dass die Kombinationstherapie mit Nivolumab und Ipilimumab eine sichere und wirksame neue Behandlungsoption für ältere Patient:innen mit einem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre ist“, sagt Professor Dr. Matthias Ebert, Direktor der II. Medizinischen Klinik der UMM und Leiter der multizentrischen Studie. „Die in der Studie untersuchte Therapie könnte daher eine echte Option sein für Patient:innen, bei denen die erste Behandlungsoption keinen Erfolg gezeigt hat – also eine neue Zweitlinientherapie darstellen.“
Dies trifft insbesondere auf Patient:innen zu, bei denen sich eine Expression des PD-1-Liganden in den Tumorzellen nachweisen lässt (hier mit einem PD-L1 Tumor Proportion Score (TPS) von ≥ 5 Prozent), da dies offenbar mit einem dauerhaften Ansprechen auf die Therapie und einem langanhaltenden progressionsfreien Überleben assoziiert ist.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Matthias Ebert
Direktor
II. Medizinische Klinik
Universitätsmedizin Mannheim
DKFZ Hector Cancer Institute
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
68167 Mannheim
Tel.: +49 (0) 621 383-3284
matthias.ebert@umm.de
Originalpublikation:
Second-line Therapy with Nivolumab plus Ipilimumab for Older Patients with Esophageal Squamous Cell Cancer: A multicenter, open-label Phase II Trial
Matthias Ebert, Nadja Meindl-Beinker, Tobias Gutting, Martin Maenz, Johannes Betge, Nadine Schulte, et al.
The Lancet Healthy Longevity, Volume 3, Issue 6, June 2022, Pages e417-e427
DOI: https://doi.org/10.1016/S2666-7568(22)00116-7
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch