Opioid-Krise: Freundschaften als Risiko



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22.02.2024 09:30

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Opioid-Krise: Freundschaften als Risiko

Das persönliche Umfeld ist eine der wichtigsten illegalen Bezugsquellen zum Missbrauch opioidhaltiger Schmerzmittel in den USA. Über die Hälfte aller US-Amerikaner/innen, die Schmerzmittel missbrauchen, haben zwischen 2010 und 2019 Medikamente aus dem Freundes- und Familienkreis erhalten. Meist, nachdem diese Menschen wegen schwerwiegender Verletzungen oder Operationen die verschriebenen Mittel übrig hatten. Das zeigt eine Studie von ZEW Mannheim gemeinsam mit weiteren Forschungseinrichtungen, in der europäische und amerikanische Wissenschaftler/innen die Opioid-Epidemie auf Basis von Längsschnittdaten aus den USA beleuchten.

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass das persönliche Umfeld nicht nur die Quelle für Medikamente, sondern auch maßgeblich für deren Missbrauch ist. Es sind dringend weitere Präventionsmaßnahmen notwendig, um die Opioid-Epidemie in den USA einzudämmen. Eine stärkere Aufklärung der Jugendlichen über die Risiken von Drogen könnte helfen, beispielsweise mit Kampagnen in TV und Social Media“, sagt Ko-Autorin Effrosyni Adamopoulou, PhD, Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“.

Alte Freundschaften untersucht

17 Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 34 in den Vereinigten Staaten missbrauchten 2008 Schmerzmittel. Die Forschenden haben den Einfluss des Freundeskreises untersucht, um zu sehen, wie sich dieser Missbrauch entwickelt. Hier zeigt sich: Ist man mit einer Person befreundet, die in den vergangen zwölf Monaten eine schwere Verletzung oder einen operativen Eingriff hatte, so ist es um sieben Prozentpunkte wahrscheinlicher, selbst Opioide zu missbrauchen.

Der Gruppen-Effekt wirkt sich besonders stark auf Menschen ohne Hochschulabschluss aus. Während die Wahrscheinlichkeit für Menschen mit College-Abschluss um drei Prozentpunkte steigt, nimmt sie für Menschen ohne Abschluss sogar neun Prozentpunkte zu.

„Wir sehen einen besorgniserregenden Zusammenhang zwischen Freundschaften und dem Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten in den USA. Studien belegen, dass der anfangs leichte Zugang zu Opioiden später zu einer Abhängigkeit von illegalen, aber preislich billigeren Drogen wie Heroin und auch zu Straftaten wie Kindesmissbrauch führen kann. Es entwickelt sich eine Spirale, die das gesamte restliche Leben der Betroffenen massiv negativ beeinflusst“, sagt Adamopoulou.

Längsschnittdaten seit 1994 ausgewertet

„Um sicherzustellen, dass die Freundschaft bereits vor dem Medikamentenkonsum bestand, haben wir die Daten von Opioid missbrauchenden Erwachsenen zwischen 25 und 34 Jahren und deren besten Freundinnen oder Freunden aus Schulzeiten ausgewertet. Die Freundschaften wurden also mindestens 14 Jahre vor der Untersuchung geschlossen. Sie sind demnach nicht wegen der Medikamente in Kontakt zu einander gekommen. Der Medikamenten-Missbrauch entstand umgekehrt durch die Freundschaft“, erläutert Adamopoulou die Herangehensweise der Studie.

Die Untersuchung beruht auf Daten des National Longitudinal Survey of Adolescent Health (Add Health), das seit 1994 Längsschnittdaten zum Gesundheitszustand der US-amerikanischen Bevölkerung erhebt. An der ersten Befragungswelle nahmen über 20.000 Personen teil. Die Forschenden nutzten Daten aus drei Wellen. Die Daten beinhalten unter anderem Informationen zu Demographie, Gesundheit und Elternhaus. Zudem wurden Interviews zu Hause durchgeführt, die unter anderem enge Freundschaften abfragten. Die Freunde/-innen waren ebenfalls Teil der Erhebung, sodass die Daten von Freunden/-innen ausgewertet werden können.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Effrosyni Adamopoulou, PhD
Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“
Tel.: +49 (0)621 1235-296
E-Mail Effrosyni.Adamopoulou@zew.de


Originalpublikation:

https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp24001.pdf


Bilder

Wahrscheinlichkeitszunahme in den USA, Opioide zu missbrauchen

Wahrscheinlichkeitszunahme in den USA, Opioide zu missbrauchen


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Gesellschaft, Medizin, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW