02.11.2022 12:47
Spermidin als potenzieller Biomarker für eine mögliche Alzheimer-Krankheit identifiziert
In einer Studie hat ein internationales Forscherteam um Professorin Agnes Flöel von der Universitätsmedizin Greifswald neue Erkenntnisse über die Rolle des Polyamins Spermidin für die Hirnalterung gewonnen. Die Studie, die am 2. November 2022 in der Zeitschrift Alzheimer’s & Dementia: The Journal of the Alzheimer’s Association veröffentlicht wurde, ist eine der ersten Studien, die die Rolle von Spermidin-Blutwerten über die Lebensspanne in der Allgemeinbevölkerung untersucht.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Mit Hilfe von Magnetresonanztomographie (MRT) fanden sie heraus, dass erhöhte Spermidin-Blutspiegel ein Indikator für eine fortgeschrittene Hirnalterung sind. Das bedeutet, dass Spermidin eine Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen, wie der Alzheimer-Demenz, spielen könnte. Die Daten für die Studie stammen von 659 gesunden Teilnehmer*innen der bevölkerungsbasierten Studie SHIP (Study of Health in Pomerania).
Das Molekül Spermidin kommt in allen Zellen vor. Es kann im Körper aus Vorstufen gebildet werden, und wir nehmen es über die Nahrung auf. Es hilft den Zellen, Abfälle zu beseitigen, d. h. Zellteile, die nicht mehr benötigt werden. Dieser Prozess wird auch Autophagie genannt. Es wird angenommen, dass Spermidin den Alterungsprozess durch Autophagie auf Zellebene verlangsamen kann. Darüber hinaus ist bekannt, dass eine erhöhte Spermidin-Aufnahme in der Nahrung verschiedene Aspekte der allgemeinen Gesundheit, der Körperabwehr und der Gedächtnisleistung bei älteren Tieren und Menschen begünstigt. Andererseits hat die Forschung aber auch gezeigt, dass erhöhte Spermidin-Gewebespiegel, z. B. in verschiedenen Gehirnbereichen, ein Indikator für Alzheimer-Demenz sind.
„Um diesen bekannten Gegensatz besser zu verstehen, wollten wir die Beziehung zwischen dem Spermidin-Blutspiegel und etablierten MRT-basierten Hirnmarkern, die Veränderungen während der Hirnalterung und bei Alzheimer-Demenz zeigen, in der Allgemeinbevölkerung untersuchen“, sagt Dr. Silke Wortha, Erstautorin der Studie.
Die Forscher*innen verwendeten vier MRT-gestützte Hirnmarker und konnten zeigen, dass erhöhte Spermidin-Blutspiegel mit einer fortgeschrittenen Hirnalterung bei allen vier Markern verbunden waren. Die Studienteilnehmer*innen waren gesund und es lag keine neurodegenerative Erkrankung wie Alzheimer-Demenz vor.
„Unsere Studie zeigt, dass Spermidin-Blutspiegel nicht die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit widerspiegelt, die in Tiermodellen und Humanstudien bei einer höheren Spermidin-Aufnahme mit der Nahrung beobachtet wurden. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass der Spermidin-Blutspiegel als potenzieller Biomarker für präklinische Alzheimer-Demenz verwendet werden könnte. Dies ist wichtig, da blutbasierte Biomarker für Alzheimer-Demenz weniger kostspielig und für die Patienten körperlich weniger belastend sind im Vergleich zur Liquordiagnostik, bei der aus dem Rückenmarkskanal Nervenwasser entnommen wird“, sagt Prof. Agnes Flöel, Seniorautorin der Studie.
Weitere beteiligte Forscher*innen waren: Stefan Frenzel, Martin Bahls, Katharina Wittfeld, Sandra van der Auwera, Robin Bülow, Stephanie Zylla, Nele Friedrich, Matthias Nauck, Henry Völzke und Hans J. Grabe an der Universitätsmedizin Greifswald. Claudia Schwarz an der Universität Helsinki und Mohamad Habes an der University of Texas Health Science Center, San Antonio.
Die Forschung wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderungsnummern: 01ZZ9603, 01ZZ0103, 01ZZ0403 und 01KU2004), dem Kultusministerium und dem Sozialministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Fl 379-10/1; Fl 379-11/1 und 327654276 – SFB 1315) unterstützt. Weitere Unterstützung stammt aus einem Zuschuss von Siemens Healthineers, Erlangen, Deutschland, und dem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, und eines National Institutes of Health Grant RF1 AG059421.
Agnes Flöel ist Inhaberin des Lehrstuhls für Neurologie an der Universitätsmedizin Greifswald, Professorin für Neurologie und Leiterin des Labors für Kognitive Neurologie an der Universitätsmedizin Greifswald.
Silke Wortha ist Postdoktorandin im Labor für Kognitive Neurologie an der Universitätsmedizin Greifswald und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Loughborough University.
Weitere Informationen
AG Kognitive Neurologie https://www2.medizin.uni-greifswald.de/neurolog/forschung/ag-kognitive-neurologi…
Ansprechpartnerin an der Universitätsmedizin Greifswald
Prof. Dr. Agnes Flöel
Fachbereich Neurologie
Ferdinand-Sauerbruch-Straße, 17475 Greifswald
Telefon 03834 86 6815
agnes.floeel@med.uni-greifswald.de
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