26.04.2022 10:21
Studie belegt für acht onkologische Erkrankungen Überlebensvorteile bei der Behandlung in zertifizierten Zentren
Eine groß angelegte Studie auf Basis von bundesweiten AOK-Abrechnungsdaten und Daten aus vier regionalen Krebsregistern zeigt einen Überlebensvorteil für Patientinnen und Patienten mit Krebs, die in zertifizierten Zentren behandelt werden. Ihre Sterblichkeitsrate lag bei allen acht untersuchten Krebserkrankungen niedriger als bei denjenigen, die in nicht von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Kliniken versorgt wurden. Die heute im Rahmen eines Symposiums in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellten Daten sind in den vergangenen drei Jahren im Rahmen des Innovationsfonds-Projektes „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen) ausgewertet worden.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Besonders groß war laut der Analyse der Krebsregister-Daten der Überlebensvorteil durch die Zentrenbehandlung bei Gebärmutterhalskrebs (minus 25,9 Prozent Sterblichkeit), neuroonkologischen Tumoren (minus 15,8 Prozent), Lungenkrebs (minus 15,0 Prozent) und Brustkrebs (minus 11,7 Prozent). Positive Effekte mit statistischer Signifikanz zeigten sich weiterhin für das kolorektale Karzinom, Kopf-Hals-Tumore, Prostatakrebs und die Gruppe der gynäkologischen Tumore. Die niedrigere Sterblichkeit in den zertifizierten Zentren war sowohl in den Krebsregister-Daten als auch in den Krankenkassendaten erkennbar. „Unsere Ergebnisse stützen über verschiedene Krebsarten hinweg die Hypothese, dass Patientinnen und Patienten in DKG-zertifizierten Kliniken bessere Überlebenschancen haben als in nicht zertifizierten Krankenhäusern“, sagt Prof. Dr. med. Jochen Schmitt, Direktor des federführenden Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. „Durch die risikoadjustierte Analyse einer bundesweiten Kohorte und durch den Vergleich der Kassendaten mit den Krebsregister-Daten stärken wir die Evidenz für den Nutzen der Zentrumsbehandlung. Zudem liefern wir mit unserem Projekt eine Blaupause für ein zukünftiges Monitoring der onkologischen Versorgung in Deutschland“, so Schmitt.
Vor allem Patienten mit niedrigeren Tumorstadien profitieren
Die Ergebnisse der WiZen-Studie zeigen, dass Patientinnen und Patienten mit den niedrigeren Tumorstadien I bis III stärker von der Zentrumsbehandlung profitierten als Patienten mit dem fortgeschrittenen Stadium IV. „Die positiven Effekte der Zertifizierung sind unter anderem dadurch zu erklären, dass die Patientinnen und Patienten in den zertifizierten Zentren auf inter- und multidisziplinäre Behandlungsteams treffen, die häufiger leitliniengerecht behandeln und auf eine bessere Prozess- und Strukturqualität zurück-greifen können“, betont Prof. Dr. med. Monika Klinkhammer-Schalke, Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e.V. „Für den Erfolg der zertifizierten Zentren dürfte zum Beispiel der Einsatz von Tumorboards eine große Rolle spielen, die das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei Patienten mit malignen Tumoren gemeinsam besprechen und die weitere Behandlung planen“, so KlinkhammerSchalke.
Unterschiede beim Anteil der Zentrumsbehandlungen je nach Krebsart
Die Auswertung der WiZen-Daten hat ergeben, dass größere Kliniken tendenziell eher zertifiziert werden als kleinere. Hinsichtlich der Patientenmerkmale wie Alter und Geschlechtsstruktur sind keine relevanten Unterschiede zwischen zertifizierten und nicht zertifizierten Krankenhäusern zu erkennen. Bei allen Krebserkrankungen ist im Beobachtungszeitraum von 2009 bis 2017 ein Anstieg des Anteils der in DKG-zertifizierten Zentren behandelten Patientinnen und Patienten zu erkennen – allerdings mit großen Unterschieden zwischen den verschiedenen Krebsarten: So lag der Anteil der Zentrumsbehandlungen laut den Studiendaten bei Patientinnen und Patienten mit Brustkrebs im Jahr 2017 mit 68 Prozent am höchsten und beim Bauchspeicheldrüsenkrebs mit 24 Prozent am niedrigsten. „Hier gibt es noch deutliches Optimierungspotenzial, das in der anstehenden Reform der Krankenhauslandschaft zügig aufgegriffen werden sollte“, fordert die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann. „Noch immer werden viel zu viele Patientinnen und Patienten mit Krebs außerhalb der spezialisierten Zentren behandelt. Gerade in diesem sensiblen Bereich der medizinischen Versorgung brauchen wir noch mehr Spezialisierung und Konzentration von Leistungen“ so Reimann. Mit den WiZen-Ergebnissen könne man nun klar belegen, dass die Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft ein Erfolgsmodell ist, das nachweislich zu einer besseren Behandlung führe und Patientenleben retten könne.
Daten für eine Million Behandlungsfälle ausgewertet
Die WiZen-Auswertungen basieren auf AOK-Abrechnungsdaten und Daten der vier klinischen Krebsregister Regensburg, Dresden, Erfurt und Berlin-Brandenburg für rund eine Million Behandlungsfälle. Das Projekt ist vom Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e. V. (ADT), dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO), dem Institut für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg sowie vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden durchgeführt worden. Es wurde vom Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschusses über drei Jahre mit insgesamt 1,6 Millionen Euro gefördert (Förderkennzeichen: 01VSF17020).
Online-Symposium zur Vorstellung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Studie werden heute ab 14 Uhr in einem Online-Symposium der beteiligten Partner vorgestellt. Ab 15:45 Uhr diskutieren folgenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Ergebnisse:
Dr. Gerald Gaß, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG e.V.)
Prof. Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)
Hedy Kerek-Bodden, Vorstandsvorsitzende Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband e.V., Bonn
Markus Algermissen, Leiter der Unterabteilung Medizin- und Berufs-recht im Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Zum Livestream: https://aok-bv.de/presse/termine/index_25319.html
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Medizinische Fakultät der TU Desden
Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV)
Direktor: Prof. Dr. med. Jochen Schmitt, MPH
Telefon: 0351 458-6495
E-Mail: Jochen.Schmitt@ukdd.de
www.uniklinikum-dresden.de/zegv
Weitere Informationen:
http://Zum Livestream: https://aok-bv.de/presse/termine/index_25319.html
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
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