Studie des UKSH und UKE: Kühlungsbehandlung nach Wiederbelebung bringt keinen Vorteil



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29.09.2022 13:06

Studie des UKSH und UKE: Kühlungsbehandlung nach Wiederbelebung bringt keinen Vorteil

Eine Unterkühlungsbehandlung bei Patientinnen und Patienten nach erfolgreicher innerklinischer Wiederbelebung wurde in der Vergangenheit immer wieder empfohlen – um Hirnschäden zu vermeiden. Forschende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben im Rahmen einer multizentrischen Interventionsstudie festgestellt, dass diese Behandlung keinen Nutzen hat.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Um Hirnschäden bei Patientinnen und Patienten nach erfolgreicher Wiederbelebung zu reduzieren, wurde in der Vergangenheit immer wieder eine Kühlungsbehandlung auf 33 Grad Celsius propagiert und empfohlen. Forschende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben nun erstmals Patientinnen und Patienten nach Wiederbelebung im Krankenhaus im Rahmen einer multizentrischen Interventionsstudie untersucht und festgestellt, dass diese Unterkühlungsbehandlung keinen Nutzen hat. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht.

In der HACA-in-hospital Studie des UKSH und des UKE wurden Behandlungsdaten von 249 Patientinnen und Patienten analysiert. Der klinische Verlauf sowie das Ausmaß der Erholung der Gehirnfunktion wurden über einen Zeitraum von sechs Monaten nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand erfasst. Die Hälfte der betroffenen Patientinnen und Patienten wurde auf eine Körpertemperatur von 33 Grad Celsius herabgekühlt, die andere Hälfte wurde durch die Gabe von fiebersenkenden Mitteln auf einer Körpertemperatur von 37 Grad Celsius gehalten. Die Sterblichkeit innerhalb des beobachteten Zeitraums war bedingt durch die Schwere der Erkrankung erwartungsgemäß hoch und lag in beiden Gruppen bei mehr als 70 Prozent – ohne, dass ein statistisch bedeutsamer Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen nachzuweisen war. Es zeigte sich auch kein statistisch relevanter Effekt auf die Erholung der Gehirnfunktion durch die künstliche Unterkühlung.

„Während in früheren Studien durchaus ein Effekt der Unterkühlungsbehandlung aufgezeigt werden konnte, haben wir diesen Nutzen nicht feststellen können. In den früheren Studien waren allerdings vornehmlich außerklinische Herz-Kreislauf-Stillstände untersucht worden, während wir bereits stationär behandelte Patientinnen und Patienten mit Grunderkrankungen untersucht haben. Wir vermuten daher, dass die in unserer Studie eingeschlossenen Patienten im Wesentlichen an ihrer Grunderkrankung gestorben sind, sodass die Effekte der Kühlung weniger bedeutsam waren“, so Studienleiter Dr. Sebastian Wolfrum, Leiter der interdisziplinären Notaufnahme des UKSH, Campus Lübeck.
„Ein anderer Grund könnte darin liegen, dass in unserer Studie auch bei den Patientinnen und Patienten, die nach der Reanimation nicht gekühlt worden sind, Fieber vermieden worden ist, während bei den Patienten in früheren Studien durchaus Fieber über 38 Grad Celsius auftrat. Diese Begründung wird auch durch weitere Studien der vergangenen Jahre bestärkt, die ebenfalls keinen Effekt der Unterkühlungsbehandlung bei außerklinisch reanimierten Personen beobachten konnten, wenn die Kontrollgruppe bei 36 bis 37 Grad Celsius gehalten wurde“, erklärt Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE.

Die HACA in-hospital Studie wurde unter der Leitung von Dr. Wolfrum gemeinsam mit Prof. Dr. Kluge und Dr. Kevin Roedl, Klinik für Intensivmedizin des UKE, sowie weiteren deutschen Zentren durchgeführt und ist ein wichtiger weiterer Puzzlestein, um die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand auf ein wissenschaftlich begründetes Fundament zu stellen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Interdisziplinäre Notaufnahme, Dr. Sebastian Wolfrum, Tel.: 0451 500-47004, sebastian.wolfrum@uksh.de

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Klinik für Intensivmedizin, Prof. Dr. Stefan Kluge, Tel.: 040 7410-57010, s.kluge@uke.de


Originalpublikation:

Sebastian Wolfrum et al, Temperature Control After In-hospital Cardiac Arrest – A Randomized Clinical Trial, Circulation, 2022, Doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060106


Bilder

Dr. Sebastian Wolfrum, Leiter der interdisziplinären Notaufnahme des UKSH, Campus Lübeck

Dr. Sebastian Wolfrum, Leiter der interdisziplinären Notaufnahme des UKSH, Campus Lübeck

UKSH

Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE

Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE

UKE


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW