21.09.2022 10:58
Trainieren, um Demenz vorzubeugen
Bewegung und mentales Training können einer Demenz vorbeugen. Besonders wirksam ist das Training, wenn Körper und Geist gleichzeitig angesprochen werden. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende aus Bochum und Duisburg, die die Effekte von einem kombinierten und einem separaten mentalen und physischen Training bei Menschen mit Mild Cognitive Impairment, einem möglichen Frühstadium der Demenz, verglichen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Das Team um Vanessa Lissek und Prof. Dr. Boris Suchan aus der Arbeitsgruppe Klinische Neuropsychologie der Ruhr-Universität Bochum beschreibt die Ergebnisse gemeinsam mit Kollegen des Berufsgenossenschaftlichen Klinikums Duisburg im Journal of Alzheimer Disease, online veröffentlicht am 13. September 2022.
Im Projekt „go4cognition“ untersuchten die Forschenden 39 Menschen zwischen 65 und 85 Jahren mit Mild Cognitive Impairment. „Dabei handelt es sich um eine Art Zwischenzustand“, erklärt Boris Suchan. „Die Menschen sind bei ihren alltäglichen Aktivitäten nicht eingeschränkt, aber können im weiteren Verlauf eine Demenz entwickeln.“ In Tests zeigen sich bei ihnen gewisse kognitive Veränderungen. Das Team diagnostizierte das Mild Cognitive Impairment mit dem sogenannten CERAD-Test und zusätzlichen neuropsychologischen Standardtests, die Funktionen wie Gedächtnis, exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit und Konzentration erfassen. Außerdem erhoben die Forschenden motorische Funktionen wie Kraft in den Händen und Gleichgewicht.
Zwei Arten von Training
Anschließend teilten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Teilnehmenden in zwei Gruppen ein: Eine Gruppe von 24 Personen trainierte in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Duisburg gleichzeitig Körper und Geist mit dem sogenannten SpeedCourt-System. Es handelt sich um ein 5,5 mal 5,5 Meter großes Mattensystem, das mit Sensoren bestückt ist. Die Teilnehmenden mussten die Matten in einer zuvor präsentierten Reihenfolge möglichst schnell ablaufen. Die restlichen 15 Personen trainierten Körper und Geist separat voneinander in der Senioreneinrichtung Gute Hoffnung in Oberhausen. Sie absolvierten das Fitfür100-Programm, ein physisches Training mit Gleichgewichtsübungen, das auch die Muskulatur stärkt. In den Pausen wurden die kognitiven Funktionen durch Spiele angeregt. Beide Trainings dauerten sechs Wochen. Unmittelbar nach diesem Zeitraum sowie drei Monate später absolvierten die Teilnehmenden erneut die gleichen kognitiven und motorischen Tests wie zu Beginn der Studie.
Beide Trainings wirksam
Eine statistische Analyse zeigte: Beide Interventionen waren gleich wirksam gegen die Defizite, die vor dem Training in kognitiven Tests sichtbar gewesen waren. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden verbesserte ihre kognitive Leistung durch das Training so weit, dass die Diagnose Mild Cognitive Impairment nach dem Training nicht mehr auf sie zutraf. Diese positiven Effekte waren auch in den Tests drei Monate nach der Intervention noch vorhanden, obwohl die Probandinnen und Probanden in dieser Zeit kein weiteres Training erhalten hatten.
Außerdem erzielten die Teilnehmenden nach dem Training bessere Ergebnisse bei den körperlichen Parametern Handkraft und Gleichgewicht.
Über go4cognition
Im Projekt go4cognition entwickeln Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Institutionen ein neues Tool, um kognitiven Beeinträchtigungen im Alter vorzubeugen. „Technische Möglichkeiten wie der SpeedCourt helfen, das Training noch einmal gezielter zu machen“, sagt Boris Suchan. „Es hilft auch, wenn in der Gruppe trainiert wird. Das führt zu sehr guten Ergebnissen und steigert die Akzeptanz.“
Förderung
Die Arbeiten wurden unterstützt von Leitmarkt Agentur.NRW, der Europäischen Union und dem Land NRW (EFRE -0801287).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Boris Suchan
Klinische Neuropsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 27575
E-Mail: boris.suchan@rub.de
Originalpublikation:
Vanessa J. Lissek, Heithem Ben Abdallah, Arthur Praetorius, Tobias Ohmann, Boris Suchan: go4cognition – combined physiological and cognitive intervention in MCI, in: Journal of Alzheimer Disease, 2022, DOI: 10.3233/JAD-220145
Weitere Informationen:
https://www.ontaris.de/go4cognition Projekt go4cognition
Bilder
Bochumer Forschungsteam: Boris Suchan und Vanessa Lissek
RUB, Marquard
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch