29.01.2019 09:30
Zellmetabolismus als Schlüssel gegen allergische Hautkrankheiten?
Forschende der Universitätsklinik für Dermatologie am Inselspital haben eine Zellverwandschaft entdeckt, welche die Behandlung allergischer Hauterkrankungen wie Neurodermitis verbessern könnte. Ihre Entdeckung veröffentlichten sie in «Science Immunology».
Die Funktion von sogenannten «Th9-Zellen» beim Menschen ist bislang weitgehend ungeklärt. Bei Tieren spielen diese T-Helfer-Zellen, die den Botenstoff Interleukin 9 (IL-9) des Immunsystems ausschütten, eine wichtige Rolle in entzündlichen Reaktionen und der Tumorimmunität. Um die Rolle der Th9-Zellen im Menschen besser zu verstehen, hat ein Forschungsteam der Dermatologie des Inselspitals und des Department for Biomedical Research der Universität Bern um Prof. Dr. Christoph Schlapbach diese Zellen genauer untersucht.
Enger Verwandter allergieauslösender T-Zellen
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Dabei entdeckte das Team überraschenderweise, dass Th9-Zellen keine eigenständige Population, sondern eine Sonderform der bereits bekannten Th2-Zellen sind, die entscheidend zur Entstehung von Allergien beitragen. Sie wurden daher als «IL-9+ Th2-Zellen» charakterisiert. Passend zu dieser Verwandschaft fanden die Forscherinnen und Forscher, dass die nun erstmals charakterisierte Zellart an allergischen Hautkrankheiten wie der atopischen Dermatitis (atopisches Ekzem, Neurodermitis) oder dem allergischen Kontaktekzem beteiligt ist.
Um zu verstehen, wie sich die neuen Zellen von konventionellen Th2-Zellen unterscheiden, führte das Team moderne transkriptomische Analysen durch. Dabei wurde der Transkriptionsfaktor PPAR-γ als wichtiger Regulator von IL-9+ Th2-Zellen identifiziert. PPAR-γ ist ein bekannter Regulator des zellulären Metabolismus, also des Prozesses der Energie- und Baustoffgewinnung der Zelle. Bisher kannte man die Funktion von PPAR-γ in Fett- und Muskelzellen; seine Funktion in T-Helfer-Zellen wird jedoch erst seit Kurzem untersucht.
Ein alter Bekannter und neue Therapieansätze
Der Regulator PPAR-y wurde bereits in einigen Medikamenten gegen Typ2-Diabetes als Ansatzpunkt der Therapie verwendet. Dass er auch in IL-9+ Th2-Zellen eine zentrale Rolle spielt, eröffnet daher neue Weg für die Behandlung von allergischen Hauterkrankungen wie Neurodermitis. «Weil PPAR-y die nun charakterisierten Zellen reguliert, könnten wir diese Zellpopulation durch diesen Regulator manipulieren», erklärt Christoph Schlapbach. «Es ist also denkbar, dass bereits existierende Medikamente neu bei Krankheiten, bei denen IL-9+ Th-Zellen beteiligt sind, im Sinne eines ‘drug repositioning’ eingesetzt werden können.»
Bevor diese Hypothese in ersten klinische Studien gestetet werden kann, wollen die Forscher nun genauer untersuchen, wie IL-9 und PPAR-y in der allergisch entzündeten Haut zusammenspielen. Dazu laufen aktuell translationale Fortsetzungsstudien an der Dermatologie des Inselspitals.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Christoph Schlapbach, Oberarzt, Universitätsklinik für Dermatologie, Inselspital, Universitätsspital Bern, und Department for Biomedical Research (DBMR) Universität Bern, Christoph.Schlapbach@insel.ch
Originalpublikation:
DOI: 10.1126/sciimmunol.aat5943
Weitere Informationen:
http://immunology.sciencemag.org/content/4/31/eaat5943
Anhang
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch