Zu hohe Bettenauslastung im Krankenhaus führt zu steigender Sterblichkeitsrate



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09.01.2023 09:06

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Zu hohe Bettenauslastung im Krankenhaus führt zu steigender Sterblichkeitsrate

Ein Zusammenhang zwischen der Bettenauslastung und Sterblichkeitsrate in Krankenhäusern wurde von Forschenden schon länger vermutet. Eine Studie der Universität Basel liefert nun eine neue Perspektive und zeigt, dass die Kapazitätsgrenze bei kleineren Krankenhäusern deutlich früher erreicht wird.

Spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind wir durch die Medien mit Zahlen zur Bettenauslastung in Schweizer Krankenhäusern vertraut. So lange noch Betten frei sind, gibt es keine Probleme, könnte man meinen. Eine Studie der Universität Basel unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Simon zeigt nun, dass die Sterblichkeitsrate in Spitälern ansteigt, teilweise deutlich bevor die volle Bettenkapazität erreicht ist.

Für die Studie haben die Forschenden die Daten von über 1,1 Millionen stationären Fällen aus 102 Schweizer Spitälern ausgewertet. Dies mit dem Ziel, den kausalen Zusammenhang der Bettenauslastung auf die 14-Tage-Sterblichkeitsrate in Krankenhäusern zu untersuchen. Das bedeutet, dass die Fälle bis zu 14 Tage beobachtet wurden, sofern es nicht früher zur Entlassung kam.

Der Zusammenhang von Bettenauslastung und Sterblichkeitsrate ist vielschichtig. Zu berücksichtigen sind neben der Auslastung der Betten auch Faktoren wie die Patientenfluktuation innerhalb der einzelnen Spitäler, der durchschnittliche Schweregrad der Erkrankung der Patienten die am jeweiligen Tag im Spital aufgenommen werden sowie deren individuelles Risiko zu versterben. Zusätzliche Variablen sind Begleiterkrankungen sowie Alter und Geschlecht der Patienten. Aber auch die Unterscheidung zwischen Wochentag und Wochenende sowie der Krankenhaustyp wurden einbezogen.

Schwellenwert ist bei kleinen Spitälern deutlich niedriger

Die Auslastungsgrenze, ab der das Mortalitätsrisiko zunimmt, ist in jedem Spital unterschiedlich. Liegt die Bettenauslastung über diesem Wert, steigt das Sterberisiko um rund 2 Prozent pro Tag an. Bei zwei bzw. drei zusätzlichen Tagen mit überhöhter Kapazitätsauslastung steigt die Wahrscheinlichkeit einer 14-tägigen Sterblichkeit im Krankenhaus um 3,2 Prozent bzw. 4,9 Prozent. Der Schwellenwert der einzelnen Einrichtungen lag zwischen 42,1 Prozent und 95,9 Prozent der Bettenbelegung.

Diese grossen Differenzen sind entscheidend für den Schwellenwert: Je höher die durchschnittliche Bettenauslastung eines Spitals, desto höher liegt der Schwellenwert. Diese Auslastung liegt bei kleinen Spitälern bei rund 60 Prozent, während sie in grossen Krankenhäusern bei 90 Prozent liegt. Bei einer niederen durchschnittlichen Auslastung kann es zu stärkeren Schwankungen kommen. Diese stark schwankenden Bettenauslastungen führen dazu, dass der Schwellenwert, ab dem die Mortalität steigt, niedriger ist und damit schneller erreicht wird.

Gründe für die zunehmende Sterblichkeit bei hoher Auslastung liegen unter anderem daran, dass bestimmte Behandlungen nicht mehr oder erst mit Verzögerung durchgeführt werden können. Zudem bleibt die Anzahl der Ärztinnen und Arzte sowie des Pflegepersonals trotz starken Schwankungen relativ beständig.

Abhilfe durch Konzentration

Das Problem kann laut Simon angegangen werden, indem die Auslastungsschwankungen verringert und die Spitäler angemessen mit Personal ausgestattet werden. Die Lösungen sieht er vor allem auf politischer Ebene: «Viele kleine Einheiten sind nur schwierig effizient zu betreiben. Eine Bündelung der Kliniken oder eine engere Zusammenarbeit zwischen den Kliniken führt zu weniger Schwankungen und reduziert damit das Risiko.»


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Simon, Universität Basel, Fachbereich Pflegewissenschaft, Tel. +41 61 207 09 12, E-Mail: m.simon@unibas.ch


Originalpublikation:

Narayan Sharma, Giusi Moffa, René Schwendimann, Olga Endrich, Dietmar Ausserhofer, Michael Simon
The effect of time-varying capacity utilization on 14-day in-hospital mortality: a retrospective longitudinal study in Swiss general hospitals
BMC Health Services Research (2022). doi: 10.1186/s12913-022-08950-y
https://doi.org/10.1186/s12913-022-08950-y


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW