08.05.2019 16:26
Zwischen Relevé und Bänderriss: Die Leiden der Tänzer
Beim professionellen Bühnentanz, wie zum Beispiel im Ballett oder in Musicals, erleiden Tänzer häufig Verletzungen am Fuß und am Oberen Sprunggelenk. Neue Untersuchungen, die auf dem Kongress der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) vorgestellt werden, zeigen die Häufigkeit dieser Verletzungen und deren beste Therapieansätze auf.
Wenn sich vom 27. bis 29. Juni Hunderte Sportmediziner, Fachärzte, Wissenschaftler und Therapeuten auf dem größten sportorthopädischen Kongress Europas der GOTS in Salzburg treffen, ist auch Dr. Elisabeth Exner-Grave vom medicos.AufSchalke, Europas größtem ambulanten Rehazentrum, dabei. Sie leitet dort das Kompetenzzentrum für Tanzmedizin und behandelt verletzte Bühnenkünstler, unter anderem die Stars vom Starlight Express und vom Ballett am Rhein. Zusammen mit Dr. Eileen M. Wanke vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt stellt sie auf dem Kongress ihre Studien zu den Verletzungsmustern vor.
Grundsätzlich sind die Verletzungen bei Tänzern von drei Faktoren abhängig: von der Choreografie (auch Partnerarbeit), der Bodenbeschaffenheit und dem Schuhwerk.
Dr.Exner-Grave erläutert: „Wenn die Tänzer sich in dem für den Tanz charakteristischen relevé bewegen, erheben sie sich mit Muskelkraft von der Sohle auf ihre Mittelfußköpfchen. Da die Sprungbeinrolle vorne breiter ist als hinten, gerät deren schmalerer Anteil zwischen die Knochengabel. Das ist per se eine instabile Situation mit erhöhtem Verletzungsrisiko.“
Die Prävention von Verletzungen wird in der Ausbildung zu wenig berücksichtigt, so dass oftmals schon Tanzstudenten von Sprunggelenkverstauchungen betroffen sind.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Was sich einfach anhört, verlangt harte Trainingsarbeit. Minuziös müssen die Tänzer ihre Bewegungen koordinieren. In Ermüdungssituationen oder durch chronische Überlastung kann es zu Distorsionstraumen, Bänderrupturen, Muskelverletzungen, Knochenmarködemen und (Ermüdungs-)brüchen kommen.
Exner-Grave und Wanke haben 311 Tänzer-Patienten-Fälle über 5 Jahre ausgewertet. Dabei kam heraus, dass akute Fußverletzungen mit 86,7 Prozent am häufigsten sind, gefolgt von chronischen (51,4 Prozent) und akuten (48,6 Prozent) Sprunggelenkverletzungen sowie chronischen Fußverletzungen (13,3 Prozent). Brüche sind mit 6,7 Prozent nicht so häufig vertreten.
Es gibt geschlechtsspezifische und stilrichtungsabhängige Unterschiede hinsichtlich der Verletzungsmuster. Hormonelle Einflüsse, sowie die besondere Beweglichkeit nach der Tänzer ausgesucht werden (hinter der sich häufig Kollagenosen verbergen), sind hierbei von Bedeutung.
So kommt es vor, dass Tänzer wegen einer chronischen Instabilität des Sprunggelenks mit Gelenkverschleiß bereits um das 50. Lebensjahr eine Prothese benötigen, weil nichts mehr geht.
Die Therapie der Bänderverletzungen ist bis zu 90 Prozent konservativ – nur rund 10 Prozent müssen operiert werden. Letzteres ist der Fall, wenn der gesamte Außenbandkomplex am Sprunggelenk gerissen ist und nur eine Bandplastik die im Beruf geforderte Stabilität wiederherstellen kann.
Doch auch die konservative Therapie ist hart für Tänzer. Während ein „Büro-Mensch“ mit Sprunggelenk-stabilisierender Schiene in der Regel nach 5 Tagen wieder arbeiten kann, fallen die Tänzer durchschnittlich drei bis fünf Monate aus.
Ein optimierter Reha-Stufenplan hilft beim Wiedererlangen des Tanzvermögens. In den ersten sechs Wochen stehen die relative Ruhigstellung des Sprunggelenks in einer Schiene, abschwellende Maßnahmen sowie die Erhaltung der physischen Fitness außerhalb des Verletzungsgebiets im Vordergrund. Danach liegt der Fokus auf der Wiederherstellung der Beweglichkeit sowie der Kraft. Hierbei werden „auf Schalke“ tanzspezifische Therapietools wie das Pilates-Geräte-Training eingesetzt sowie eine spezielle Methode, die ein 3-dimensionales Muskelfunktionskettentraining im Bewegungsfluss ermöglicht.“
Die nächste Reha-Phase bereitet die Tänzer gezielt auf die Arbeits- und Belastungserprobung direkt im Theater vor: ab dann dürfen sie mit dem Ensemble trainieren, aber z.B. noch keine hohen Vertikal- und Horizontalsprünge absolvieren. Erst nach vier weiteren Wochen werden sie als voll leistungsfähig wieder „freigegeben“.
Weitere Informationen:
http://gots-kongress.org/news-presse/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
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