02.05.2022 16:57
128. Internistenkongress: Präventionspreis für Krebsforscher und Diabetologen
Zwei zur Behandlung von Blutkrebs und Diabetes zugelassene Medikamente könnten in Zukunft auch zur Krankheitsprävention eingesetzt werden. Dies zeigen die Studien von Forschern, die auf dem diesjährigen Internistenkongress von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und der Deutschen Stiftung Innere Medizin (DSIM) mit dem Präventionspreis ausgezeichnet werden. Professor Dr. med. Robert Zeiser von der Universität Freiburg konnte in einer in Nature Communications publizierten Studie an Mäusen zeigen, dass ein altes Krebsmedikament Rückfälle bei der derzeit modernsten Therapie von Leukämien verhindern kann.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Professor Dr. med. Martin Heni von der Universität Tübingen fand in einer in Diabetes Care veröffentlichten klinischen Studie heraus, dass ein relativ neues Mittel zur Behandlung des Typ 2-Diabetes im Gehirn die Wirksamkeit des Hormons Insulin verbessert, was übergewichtige Menschen durch den Abbau von Leberfett vor einer Zuckerkrankheit schützen könnte.
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Professor Dr. med. Robert Zeiser erforscht die CAR-T-Zelltherapie zur Behandlung von Leukämie. Ziel der Therapie ist es, die körpereigene Krebsabwehr zu stärken. Dazu werden Abwehrzellen aus dem Blut entnommen und im Labor mit einem chimären Antigen-Rezeptor (CAR) ausgerüstet. Der CAR zeigt den T-Zellen, wie sie nach der Infusion die Leukämiezellen finden. Bei der akuten myeloischen Leukämie (AML), einem vor allem bei älteren Menschen auftretenden Blutkrebs, erkennen die T-Zellen ein bestimmtes Protein mit der Bezeichnung CD123 auf der Oberfläche der Krebszellen. Bisher schlug die CAR-T-Zelltherapiebei der AML nicht ausreichend an, weil die Krebszellen nur wenig CD123 bilden und die Zahl der CAR-T-Zellen mit der Zeit zurückgeht. Dies führte zu einem Wirkungsverlust und Rückfall der AML bei Patientinnen und Patienten.
Ein Ausweg könnte eine Vorbehandlung mit Azacitidin sein. Das Mittel war in den 1960er Jahren in dem Bakterium Streptoverticillium ladakanus entdeckt worden. In der Folge wurde es lange als Zytostatikum zur Behandlung von Leukämien eingesetzt. Im Jahr 2004 wurde Azacitidin in den USA und später auch in Europa neu zugelassen. Es gilt als eines der ersten Mittel, das in die epigenetische Regulierung eingreift, indem es Methylgruppen von der DNA entfernt und dadurch Gene aktiviert und die Bildung des Proteins CD123 fördert. „Professor Zeiser konnte am Mausmodell zeigen, dass eine Vorbehandlung mit Azacitidin die Bildung von CD123 auf den Krebszellen anregt“, erläutert Professor Dr. med. Stefan Frantz, der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Innere Medizin. Dies könnte die Wirkung der Krebstherapie verstärken. Ein zweiter Effekt der Behandlung war das vermehrte Auftreten von sogenannten CTLA-4 negativen CAR T-Zellen. Dies verhindert eine vorzeitige Erschöpfung der CAR T-Zellen, die dabei helfen, Leukämiezellen abzutöten.
Professor Martin Heni erforscht die Wirkung von Insulin im Gehirn. Das Hormon aus der Bauchspeicheldrüse verteilt nach den Mahlzeiten den Blutzucker im Körper. Im Gehirn steuert es das Essverhalten und über das Nervensystem beeinflusst es auch die Speicherung von Fetten in der Leber. Bei Menschen mit einem Typ 2-Diabetes ist die Insulinwirkung herabgesetzt – auch im Gehirn. Professor Heni vermutet, dass diese Insulinresistenz im Gehirn eine Schlüsselrolle beim Diabetes und seiner Vorstufe, dem Prädiabetes, spielt. Denn bei Menschen mit Prädiabetes ist der Blutzucker nur leicht erhöht. Sie sind jedoch häufig übergewichtig und haben Fettablagerungen in der Leber. In einer klinischen Studie hat der Forscher untersucht, ob das Medikament Empagliflozin bei den Prädiabetikern die Wirksamkeit von Insulin im Gehirn verbessern kann. Der Wirkstoff gehört zu den SGLT2-Inhibitoren, die in den Nieren die Ausscheidung von Glukose im Urin fördern, was den Blutzucker senkt. Tierexperimentelle Studien hatten gezeigt, dass die Mittel auch im Gehirn wirken.
In der Studie wurden 40 Prädiabetiker mit Empagliflozin oder Placebo behandelt. Die Insulinwirkung wurde mit einem Nasenspray untersucht. Das Hormon gelangt über die Blutgefäße des Riechnervs direkt ins Gehirn. Die Wirkung kann anhand der veränderten Hirndurchblutung mit einer funktionellen Magnetresonanztomografie gemessen werden. „Tatsächlich kam es acht Wochen nach der Behandlung mit Empagliflozin zu einer verbesserten Insulinwirkung im Hypothalamus“, berichtet Professor Frantz. Dies sei bemerkenswert, da eine solche Wirkung bisher für kein anderes Mittel nachgewiesen werden konnte: „SGLT2-Inhibitoren könnten damit ein erster vielversprechender Ansatz zur Behandlung der Insulinresistenz im Gehirn sein.“ Die Vorteile für die Prädiabetiker bestanden neben einer Senkung des Blutzuckers in einem vermehrten Abbau der Fettdepots der Leber. „Eine präventive Behandlung mit Empagliflozin könnte verhindern, dass übergewichtige Menschen erst an einer nicht-alkoholischen Fettleber und danach an einem Typ 2-Diabetes erkranken“, erläutert der Vorsitzende der DSIM.
Die Deutsche Stiftung Innere Medizin verleiht gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin den Präventionspreis für die beste aus dem deutschsprachigen Raum vorgelegte Arbeit in deutscher oder englischer Sprache auf dem Gebiet der Primär- und Sekundärprävention innerer Erkrankungen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird in 2022 zwischen den beiden Preisträgern aufgeteilt.
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Originalpublikation:
Stephanie Kullmann et al. Empagliflozin Improves Insulin Sensitivity of the Hypothalamus in Humans With Prediabetes: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled, Phase 2 Trial. Diabetes Care 2022; 45: 398-406
https://diabetesjournals.org/care/article/45/2/398/139008/Empagliflozin-Improves…
Nadia El Khawanky et al. Demethylating therapy increases anti-CD123 CAR T cell cytotoxicity against acute myeloid leukemia. Nature Communications 2021; 12: 6436
https://www.nature.com/articles/s41467-021-26683-0
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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