01.08.2022 15:20
Auf Grund von Datenlücken empfiehlt SKLM Neubeurteilung von Acetaldehyd als Aromastoff
Acetaldehyd wird aufgrund seines fruchtigen Geschmacks als Aromastoff eingesetzt. Die Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM) der DFG hat die aktuelle Datenlage zur Bewertung des gesundheitlichen Risikos der Verwendung von Acetaldehyd als Aromastoff geprüft. Angesichts zahlreicher Datenlücken, die für eine vollständige Risikobewertung geschlossen werden müssen, und den sich daraus ergebenden Unsicherheiten, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Zweifel an der Sicherheit von Acetaldehyd als Aromastoff bestehen. Nach der SKLM sollte der gezielte Zusatz von Acetaldehyd als Aromastoff aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes neu beurteilt werden.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Acetaldehyd kommt natürlicherweise in zahlreichen Lebensmitteln vor, zum Beispiel in Kaffee, Brot, Früchten oder Joghurt. Aufgrund seines fruchtigen Aromas wird Acetaldehyd auch als Aromastoff in oder auf Lebensmitteln verwendet. In alkoholhaltige Getränke gelangt Acetaldehyd als Nebenprodukt der alkoholischen Gärung. Darüber hinaus entsteht Acetaldehyd im menschlichen Körper beim Abbau von Ethanol sowie während bestimmter Stoffwechselvorgänge.
Die SKLM hat die aktuelle Datenlage zu Entstehung, Vorkommen, Aufnahmemengen und Krebsrisiko von Acetaldehyd als Aromastoff geprüft. Dabei kam die SKLM zu dem Schluss, dass die Datenlage stark limitiert ist, sodass derzeit keine gesicherte Bewertung von Acetaldehyd als Aromastoff vorgenommen werden kann.
Daten zur krebserzeugenden Wirkung und systematische Analysen fehlen
Die Frage, ob Acetaldehyd nach Aufnahme über Lebensmittel erbgutschädigend wirkt, kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden. Zum Beispiel kann eine solche Wirkung auf Gewebe mit direktem Kontakt zu Acetaldehyd, wie z.B. Mundhöhle oder Speiseröhre, nicht sicher ausgeschlossen werden.
Es gibt zudem keine systematischen Daten zu Acetaldehydgehalten in Lebensmitteln. Darüber hinaus kann anhand analytischer Daten nicht unterschieden werden, ob die bisher gemessenen Gehalte in Lebensmitteln auf den Einsatz als Aromastoff, auf den Übergang aus Verpackungsmaterialien oder auf ein natürliches Vorkommen zurückzuführen sind. Auch anhand der Deklaration der Lebensmittel ist keine Abschätzung möglich, da Acetaldehyd unter die Zutat Aroma als Sammelbezeichnung fällt und nicht separat kennzeichnungspflichtig ist.
Weitere Forschung für umfassende Risikobewertung nötig
„Es ist noch weitere Forschung nötig, um eine umfassende Risikobewertung durchführen zu können. Wir brauchen standardisierte Analysemethoden, um systematisch die Acetaldehydgehalte in den wichtigsten Lebensmittelgruppen bestimmen zu können. Ebenso sind Studien mit spezifischen Biomarkern notwendig, welche die Exposition gegenüber Acetaldehyd aus Lebensmitteln belegen. Mit Hilfe dieser Biomarker sollte untersucht werden, ob es zu lokalen Effekten im oberen Verdauungstrakt kommt“, sagt Prof. Jan Hengstler, Vorsitzender der SKLM und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo).
Die SKLM kommt aufgrund der noch vorhandenen Wissenslücken und den sich hieraus ergebenden Unsicherheiten sowie den Bedenken hinsichtlich einer möglichen erbgutschädigenden Wirkung von oral aufgenommenem Acetaldehyd zu dem Schluss, dass Zweifel an der Sicherheit von Acetaldehyd als Aromastoff bestehen. „Die SKLM war sich einig, dass der gezielte Zusatz von Acetaldehyd als Aromastoff aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes neu beurteilt werden sollte“, fasst Jan Hengstler zusammen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Jan G. Hengstler
Leiter des Forschungsbereichs Toxikologie
Telefon: +49 231 1084-348
E-Mail: hengstler@ifado.de
Originalpublikation:
Hengstler, J.G., Baum, M., Cartus, A.T. et al. Stellungnahme zu Acetaldehyd als Aromastoff: Aspekte der Risikobewertung. J Consum Prot Food Saf (2022). https://doi.org/10.1007/s00003-022-01386-w
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch