Colchicin zur Behandlung von COVID-19



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22.10.2021 09:34

Colchicin zur Behandlung von COVID-19

Der Wirkstoff Colchicin zeigt in bisher verfügbaren Studien keine Vorteile bei der Behandlung von Krankenhaus-Patient*innen mit COVID-19. Zu diesem Schluss kommt ein eben veröffentlichter Cochrane Review.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale, siehe Bild) blüht zur Zeit auf vielen Wiesen. Die hübsche, an einen Krokus erinnernde Blume enthält das potente Zellgift Colchicin. Doch die Dosis macht das Gift: In geringer Dosierung wird Colchicin schon lange erfolgreich als Medikament eingesetzt, insbesondere zur Behandlung von Gicht. Auch als Behandlungsoption für COVID-19 wurde Colchicin diskutiert, in der Hoffnung, dass seine entzündungshemmenden Eigenschaften die oft überschießende Immunreaktion bei COVID-19-Patienten dämpfen könnten. Ein eben veröffentlichter Cochrane Review findet dafür aber keine überzeugende Evidenz aus klinischen Studien.

In der systematischen Literatursuche für ihre Übersichtsarbeit fanden die Autor*innen Evidenz aus drei randomisierten kontrollierten Studien (RCTs). Demnach hat Colchicin bei Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Erkrankung wahrscheinlich keinen Nutzen. Allerdings könnte Evidenz aus derzeit noch laufenden bzw. unveröffentlichten Studien dieses Ergebnis noch verändern. Über die Sicherheit des Medikaments in der Behandlung von Patient*innen mit COVID-19 erlaubt die bisher verfügbare Evidenz keine definitiven Aussagen.

Für ambulant behandelte Patient*innen mit leichter COVID-19 oder bestätigter Infektion enthält der Review Daten aus einer RCT. Sie deuten darauf hin, dass Colchicin wahrscheinlich zu einer leichten Verringerung des kombinierten Risikos einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes innerhalb von 28 Tagen und von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen führt. Betrachtet man das Sterberisiko isoliert, lassen sich jedoch keine Aussagen machen.

Auch für den Einfluss der Therapie mit Colchicin auf die Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen liefert die Studie keine ausreichende Evidenz. Aus anderen Einsatzbereichen ist aber bekannt, dass korrekt dosiertes Colchicin u. a. deutliche Magen-Darm- und Muskelbeschwerden hervorrufen kann. Durch seine geringe therapeutische Breite können versehentliche Überdosierungen zudem schnell schwerwiegende Folgen haben.

Hinweis: Dieser Cochrane Review basiert auf Ergebnissen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Netzwerk Universitätsmedizin geförderten Forschungsprojekts CEOsys (COVID-19-Evidenzökosystem), an dem sich auch Cochrane beteiligt.


Originalpublikation:

Mikolajewska A, Fischer A-L, Piechotta V, Mueller A, Metzendorf M-I, Becker M, Dorando E, Pacheco RL, Martimbianco ALC, Riera R, Skoetz N, Stegemann M. Colchicine for the treatment of COVID‐19. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 10. Art. No.: CD015045. DOI: 10.1002/14651858.CD015045.


Weitere Informationen:

https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD015045/full/de Link zum Review


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW