28.05.2019 08:15
COPD: hohe Sterblichkeit und fehlendes Krankheits-Bewusstsein
Kaum bekannt, aber tödlich – so könnte das Urteil über die Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) lauten, die weltweit bereits die dritthäufigste Todesursache ist. Eine Untersuchung zum öffentlichen Interesse an COPD mittels der Applikation Google Trends durch ein Ärzti*nnen-Team der Medizin Uni Innsbruck bestätigt diesen Befund: Beim Vergleich der Suchanfragen unter den zehn, nach WHO-Klassifikation häufigsten Todesursachen rangiert COPD nur auf Platz 8. Das mangelnde Bewusstsein hat fatale Folgen.
Innsbruck, am 28.5.2019: Obwohl die Prävalenz und die Sterblichkeitsrate von COPD weltweit kontinuierlich ansteigen, bleibt die Chronisch obstruktive Lungenerkrankung oft unerkannt und nicht diagnostiziert. „COPD ist in den Köpfen der Menschen viel zu wenig verankert“, weiß Alex Pizzini, Facharzt an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin II (Direktor: Günter Weiss), der zusammen mit Anna Böhm und Studienleiter Ivan Tancevski die aufschlussreiche Analyse durchführte.
Stagnierendes Interesse an COPD trotz steigender Todesraten
Um das mangelnde Bewusstsein für die Erkrankung quantifizieren zu können, hat das Pneumologie-Team um Böhm, Pizzini und Tancevski mithilfe der Analyse-Applikation Google Trends die Frequenz der globalen Suchanfragen nach COPD im Zeitraum von 2004 bis 2018 untersucht. Dabei wurde das relative Suchvolumen für COPD mit neun weiteren, aus der von der WHO in einer jährlichen Statistik veröffentlichten Liste der weltweit häufigsten Todesursachen verglichen. Um die Analyse nicht zu verzerren, beschränkten sich die Forscher*innen in ihrer Internetsuche auf Industrienationen, also auf Länder, in denen rund 80 Prozent der Bevölkerung das Internet nutzen. „Wir konnten zeigen“, so Pizzini, „dass medizinische Themen grundsätzlich ein geringeres Suchvolumen aufweisen, am häufigsten aber nach Diabetes, Schlaganfall und Brustkrebs gegoogelt wird. COPD findet sich erst auf dem achten Platz, saisonal bedingt interessieren sich Nutzerinnen und Nutzer der Suchmaschine Google im ersten und vierten Jahresquartal, also in den Wintermonaten, ein bisschen mehr als sonst für COPD“.
COPD wird also viel seltener gesucht, als Menschen daran erkranken. Im zeitlichen Verlauf lässt sich seit 2004 gar ein stagnierendes Suchveralten feststellen – ein Trend, der der Neuerkrankungsrate zuwider läuft. Immerhin leidet in Österreich jede/r Zehnte an COPD, nach dem 70. Lebensjahr schon jede/r Vierte. Den Daten von Statistik-Austria zufolge wurde von 2002 bis 2016 in Österreich ein Anstieg der Todesraten von COPD Patient*innen von über 60 Prozent registriert – ein Trend, der mit einem Anstieg von 130 Prozent vor allem auch Tirol betrifft.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Unbekannte bleibt Unerkannte mit tödlichen Folgen
Dabei ist COPD als systemische Entzündung mit zahlreichen Begleiterkrankungen und sich stetig verschlechternder Lebensqualität verbunden. Schon eine geringe Abnahme der Lungenfunktion steigert das Herzinfarktrisiko. Das Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln ist bei COPD sechsmal erhöht, das Schlaganfallrisiko zehn Mal höher. Sogenannte Exazerbationen (akute Verschlimmerung der Erkrankung), die in der dritten und vierten Krankheitsstufe zunehmend auftreten und in schweren Fällen eine Aufnahme in der Intensivstation notwendig machen, führen in zehn Prozent der Fälle zum Tod, das Sterblichkeitsrisiko bleibt bis zu einem Jahr danach noch um bis zu 40 Prozent erhöht. Mit einem höheren Bewusstsein und einer rechtzeitigen Diagnose könnten jedoch Risikofaktoren wie etwa das Rauchen eliminiert, Exazerbationen verhindert und Begleit- bzw. Folgeerkrankungen entsprechend behandelt werden. Über 90 Prozent aller COPD Patient*innen rauchen oder haben über lange Zeit geraucht. Symptome wie erhöhte Schleimbildung und chronischer Husten sollten deshalb vor allem für Raucher*innen Grund genug sein, Atemwege und Lunge untersuchen zu lassen. „Vor dem Hintergrund des fehlenden Krankheitsbewusstseins wird der Raucherhusten allzu oft bagatellisiert. Rauchen, auch das Passiv-Rauchen, steht jedoch an erster Stelle der Risikofaktoren für COPD“, warnt Studienleiter Ivan Tancevski, der die Ergebnisse der im Fachjournal European Respiratory Journal veröffentlichten Internet-Analyse als wichtigen Impuls für gezielte Maßnahmen zur Awareness-Bildung sieht. Das Team in Innsbruck arbeitet derzeit bereits an Folgeprojekten, um die Patient*innenversorgung weiter zu verbessern.
Hintergrundinformation
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung geht von einer chronischen Entzündung der unteren Atemwege aus. Diese andauernde Entzündungsreaktion bewirkt Veränderungen und Umbauprozesse, die eine bleibende Verengung der Bronchien und Bronchiolen bedingen. Chronische Symptome wie Husten, Auswurf und Atemnot sind möglich, fortgeschrittene Stadien sind häufig mit Lungenemphysem assoziiert, betroffene Patient*innen benötigen häufig eine chronische Sauerstoffversorgung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Alex Pizzini
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Tel.: +43 50 504 82075
E-Mail: Alex.Pizzini@i-med.ac.at
Priv.-Doz. Dr. Ivan Tancevski
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Tel.: +43 50 504 86750
E-Mail: Ivan.Tancevski@i-med.ac.at
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1183/13993003.00351-2019
Weitere Informationen:
https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2019/25.html [Pressebilder zum Download]
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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