Covid-19-Medikamente lassen noch auf sich warten



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23.06.2021 09:46

Covid-19-Medikamente lassen noch auf sich warten

Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) prüft monatlich, welche Evidenz es zur Wirksamkeit und Sicherheit von möglichen Covid-19-Medikamenten gibt. Seit April 2020 wurden insgesamt 35 Arzneimittel genau beobachtet, einen echten Hoffnungsträger gibt es bislang noch nicht.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Österreichs Politik hat aus der Causa „Tamiflu“ gelernt. Zur Erinnerung: Im Jahr 2009, während der Schweinegrippe-Pandemie, wurden voreilig große Mengen vom weitgehend wirkungslosen Grippemittel „Tamiflu“ eingekauft. Ein solcher Fehler wurde rund elf Jahre später nicht mehr gemacht: „In Österreich hat die Politik sehr früh erkannt, dass uns die Covid-19-Pandemie längerfristig beschäftigen wird und das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) damit beauftragt, ein ‚Horizon Scanning‘ von Covid-19-Medikamenten durchzuführen“, sagt Claudia Wild, Leiterin des AIHTA. Seit April 2020 evaluiert das Institut kontinuierlich, welche Covid-19-Therapeutika sich in der klinischen Prüfung befinden und welche Evidenz es zu Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittel gibt. Dadurch soll gewährleistet sein, dass die Beschaffung von Covid-19-Medikamenten evidenzbasiert erfolgt.

Bislang wurden 35 potentielle Kandidaten genauer beobachtet. Ein echter Hoffnungsträger ist darunter nicht zu finden, wie die Analysen des AIHTA zeigen. Insgesamt hat das AIHTA für jene Medikamente, die EU-weit entweder bereits zugelassen sind oder sich im Zulassungsprozess befinden, im Rahmen der Europäischen Zusammenarbeit EUnetHTA Frühbewertungen zu vier Medikamente durchgeführt: REGN-COV2, Bamlanivimab, Remdesivir und Dexamenthasone.

Mittel gegen Hypes und Irrlichter

Besonders groß war das Interesse an REGN-COV2, auch bekannt als „Trump-Medikament“, und Bamlanivimab, nachdem der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn Ende Jänner 2021 mitgeteilt hatte, dass er ein 400 Millionen Euro teures Kontingent der beiden in Europa noch nicht zugelassenen Medikamente einkaufen wird. In den USA erhielten die Therapeutika bereits im November 2020 von der FDA eine Notfallzulassung. „Die vorläufigen Ergebnisse aus den noch laufenden klinischen Studien deuten darauf hin, dass die Antikörper-Medikamente die Viruslast von nicht-hospitalisierten Patienten zwar reduzieren können, eine auf Evidenz basierende Empfehlung ist derzeit aber nicht möglich“, so das Fazit von Claudia Wild. „Erschwerend wirkt die Logistik in der Verabreichung: Das Medikament muss über eine Infusion verabreicht werden und bedarf also zumindest einer Spitalsambulanz, trotzdem die Patienten nur leicht erkrankt sind und eigentlich zu Hause bleiben sollen“, ergänzt die Expertin. Für bereits schwerer Erkrankte ist der Antikörper-Cocktail ausdrücklich nicht vorgesehen.

Ähnlich ernüchternd sind die vorläufigen Ergebnisse zu Remdesivir. Die derzeit verfügbaren Daten zeigen, dass das Mittel zwar eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes etwas verzögern kann, eine Behandlung mit Remdesivir verhindert aber wahrscheinlich keine Todesfälle durch Covid-19.
Die besten Ergebnisse ließen sich für Dexamethasone, einem „alten“ und lang bekannten Kortikosteroid, beobachten. Damit konnte bei Patient*innen, die eine Sauerstofftherapie benötigten, die Mortalität signifikant gesenkt werden. Keine Vorteile durch Dexamethasone zeigten sich hingegen bei Covid-19-Patient*innen, die nicht künstlich beatmet wurden. 
Mit dem „Horizon Scanning“ sollen außerdem medikamentöse „Irrlichter“ identifiziert werden, die häufig durch mediale Hypes entstehen. So wurde etwa das Asthma-Medikament Budesonid in der Berichterstattung zahlreicher Medien vorschnell als Heilmittel in der Pandemie gefeiert. Die AIHTA-Analyse zeigte allerdings, dass die derzeitige Datenlage nicht ausreicht, um eine positive Wirkung im Fall einer Covid-19-Erkrankung verlässlich nachweisen zu können.

Drei neue Covid-19-Medikamente bis Oktober 2021

Die EU-Kommission hat sich in ihrer neuen Behörde „HERA“ (Health Emergency Preparedness and Response Authority) darauf geeinigt, dass sie ein Portfolio von zehn potenziellen COVID-19-Therapeutika zusammenstellt und bis Juni 2021 darunter die fünf vielversprechendsten ermittelt. Anschließend wird das AIHTA gemeinsam mit mehr als 80 Partnern in ganz Europa in EUnetHTA eine Frühbewertung der fünf ausgewählten Medikamente durchführen. „Mit diesem Prozess soll sichergestellt werden, dass EU-weit nur jene Medikamente eingekauft werden, die tatsächlich auch einen Nutzen haben“, erklärt Claudia Wild. Deklariertes Ziel von HERA ist es, dass bis Oktober 2021 die Zulassung von drei neuen Therapeutika zur Behandlung von COVID-19 erfolgt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Priv. Doz. Dr. phil. Claudia Wild
T +43 / 1 / 236 81 19-12
E-Mail: claudia.wild@aihta.at


Originalpublikation:

Covid-19 HSS/ Horizon Scanning, Living Document V15 2021.
https://eprints.aihta.at/1234/128/Policy_Brief_002_Update_06.2021.pdf


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW