Teilen:
16.12.2022 11:18
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
DDZ Metaanalyse zeigt: Körperliche Aktivität bei Diabetes assoziiert mit geringerem Risiko für schwere Komplikationen
Körperliche Aktivität ist ein Eckpfeiler im Diabetes-Management; es gibt jedoch nur wenige Evidenzsynthesen zum Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und langfristigen diabetesbedingten schweren Komplikationen. Was „schlüssig“ scheint, konnte jetzt in einer großen Metaanalyse des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) als faktisch gegeben bewiesen werden.[1]
Personen mit Diabetes sind gefährdet, weitere gesundheitsbezogene Komplikationen zu entwickeln, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zerebrovaskuläre Ereignisse und Herzinsuffizienz, sowie andere Begleiterkrankungen wie Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie. „Während es bereits viele Beweise für den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und der Prävention eines Typ-2-Diabetes gibt, stand dies für die Assoziation von körperlicher Aktivität mit diabetesbedingten Komplikationen noch aus“, sagt Studienleiterin Dr. Sabrina Schlesinger vom Institut für Biometrie und Epidemiologie am Deutschen Diabetes-Zentrum. „Darüber hinaus wollten wir das optimale Maß an körperlicher Aktivität, das voraussichtlich mit der größten Risikominderung verbunden ist, identifizieren.“ Derzeit empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass Erwachsene mit chronischen Krankheiten mindestens 150-300 Minuten pro Woche mit moderater aerober körperlicher Aktivität verbringen sollten.[2] Dies entspricht einem Metabolischen Äquivalent von 8,25 bis 16,5 MET pro Woche.
Insgesamt identifizierten die Forscherinnen und Forscher 31 relevante Studien, die zwischen 1995 und 2021 veröffentlicht wurden, mit Untersuchung von Populationen in den USA, Europa, Asien und Australien sowie eine Kohorte aus 20 verschiedenen Ländern.
Die Ergebnisse dieses Reviews einschließlich seiner Metaanalysen ergab eine moderate Beweissicherheit dafür, dass körperliche Aktivität mit einem verringerten relativen Risiko für die Inzidenz und Mortalität von kardiovaskulären Erkrankungen sowie mit mikrovaskulären Gesamtkomplikationen, insbesondere Retinopathie, verbunden war (vgl. Abbildung). Die Auswertungen zeigen eine Dosis-Wirkungs-Beziehung, d.h. mit steigender körperlicher Aktivität sank das Risiko für Folgeerkrankungen des Diabetes. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bereits ein körperliches Aktivitätsniveau, das unterhalb der WHO-Empfehlung liegt, das relative Risiko für diabetesbedingte Komplikationen verringert“, resümiert Schlesinger. Die stärksten Risikoreduktionen wurden bei bis zu 20 bzw. 40 MET-h/Woche beobachtet.
Jeder Schritt zählt
Für Menschen mit Diabetes kann es belastend sein, wenn sie nicht erfolgreich die vorgegebene körperliche Aktivität umgesetzt haben; manchmal ist das Ziel – gerade zu Beginn oder bei körperlich inaktiven Menschen mit einem erhöhten BMI – unerreichbar. „Mit diesen Ergebnissen können auch diese Menschen mit Diabetes dazu ermutigt werden, körperlich aktiv zu sein, da selbst ein geringes Maß an körperlicher Aktivität zur Vorbeugung von diabetesbedingten Komplikationen wirksam ist, wie die Ergebnisse unserer Dosis-Wirkungs-Metaanalysen zeigten“, betont Schlesinger die wissenschaftliche Implikation der Studie.
Relevanz der Ergebnisse
Eine Metaanalyse geht über die Arbeit von rein systematischen Reviews hinaus und fasst die Ergebnisse mehrerer Einzelstudien mittels statistischer Methoden zusätzlich noch quantitativ zu einem globalen Ergebnis zusammen. Metaanalysen haben als Bestandteil systematischer Reviews stetig an Bedeutung gewonnen und stellen einen Eckpfeiler der evidenzbasierten Medizin dar. Für die Betroffenen können daraus praktische Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. „Zum Beispiel könnte eine Stunde Nordic Walking pro Woche, entsprechend 4,8 MET-h unter Berücksichtigung unserer Dosis-Wirkungs-Metaanalyse das relative Risiko einer kardiovaskulären Sterblichkeit bereits um etwa 10 % senken“, empfiehlt die Expertin.
Quellen:
[1] Rietz M, Schlesinger S et al. Diabetes Care 2022;45(12):3101–3111; https://doi.org/10.2337/dc22-0886
[2] https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/337001/9789240014886-eng.pdf
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. oec. troph. Sabrina Schlesinger, M. Sc.
Leiterin der Arbeitsgruppe Systematische Reviews
Institut für Biometrie und Epidemiologie
Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ)
Tel.: +49(0)211-3382-231
sabrina.schlesinger@ddz.de
Originalpublikation:
Rietz M, Schlesinger S et al. Physical Activity and Risk of Major Diabetes-Related Complications in Individuals With Diabetes: A Systematic Review and MetaAnalysis of Observational Studies, Diabetes Care 2022;45(12):3101–3111; https://doi.org/10.2337/dc22-088
Bilder
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Medizin, Sportwissenschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch