28.01.2022 12:21
Gesichtsmaske: Das Lippenlesen fehlt allen
Dass ein Gesprächspartner schlechter zu verstehen ist, wenn er eine Gesichtsmaske trägt, hat vornehmlich visuelle Gründe. Sie fallen stärker ins Gewicht als die von den Masken verursachte akustische Dämmung.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Dass wir unser Gegenüber schlechter verstehen, wenn es eine Gesichtsmaske trägt, liegt in erster Linie daran, dass wir ihm nicht auf den Mund schauen können. Das haben Hörforscherinnen und Hörforscher der Universitätsmedizin Oldenburg herausgefunden. Sie zeigen damit: Nicht nur Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen, sondern auch ein Großteil der anderen profitiert im Alltag unbewusst vom Lippenlesen. Haben sie diese Möglichkeit nicht, sinkt das Sprachverstehen deutlich. Das Ergebnis der Studie „How Face Masks Interfere with Speech Understanding of Normal-Hearing Individuals: Vision Makes the Difference” präsentiert das interdisziplinäre Forschungsteam jetzt im Fachmagazin Otology & Neurotology. Das Team besteht aus Forschenden des Departments für Medizinische Physik und Akustik sowie der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.
Um herauszufinden, wie sich das Tragen von Stoff- und medizinischen Masken auf das Verstehen von Sprache auswirkt, hatten die Forschenden ihren Probandinnen und Probanden mehrere Sätze vorgespielt. Mal hörten sie nur den Ton, dann sahen sie dazu auch das Video der Sprecherin. Im weiteren Versuchsverlauf war der Mund der Sprecherin von einer virtuellen Maske bedeckt. Dazu hörten die Versuchspersonen entweder den Originalton oder einen mit akustischer Dämpfung, wie sie für die beiden untersuchten Maskentypen typisch ist.
In allen Szenarien maßen die Forschenden, wie gut die Teilnehmenden die vorgespielten Sätze in einer Situation mit Nebengeräuschen verstehen konnten. Das Ergebnis: Trotz gleicher Tonqualität sank das Sprachverstehen umgerechnet um etwa ein Drittel, wenn der Mund der Sprecherin hinter der virtuellen Maske versteckt war. Genauso stark verminderte sich das Sprachverstehen, wenn die Teilnehmenden die Sprecherin gar nicht sehen konnten.
Die Untersuchungen zeigen, dass sich die visuellen Einschränkungen stärker auswirkten als die akustische Dämpfung durch die Masken. Dabei verschlechterte die Stoffmaske die Verständlichkeit wiederum etwas stärker als die medizinische Maske. Aktuell führt das Team Messungen mit FFP2-Masken durch.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Andreas Radeloff, E-Mail: andreas.radeloff@uol.de
Originalpublikation:
Rasmus Sönnichsen, Gerard Llorach Tó, Sabine Hochmuth, Volker Hohmann, Andreas Radeloff: „How Face Masks Interfere with Speech Understanding of Normal-Hearing Individuals: Vision Makes the Difference“, Otology & Neurotology (2022), https://doi.org/10.1097/MAO.0000000000003458
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
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