Gut verträgliches, bereits bekanntes Medikament zur Behandlung von Lebererkrankungen kann COVID-19-Infektion verhindern



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07.12.2022 13:51

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Gut verträgliches, bereits bekanntes Medikament zur Behandlung von Lebererkrankungen kann COVID-19-Infektion verhindern

In einer vielbeachteten Studie verschiedener internationaler Zentren, an der auch das Universitäts-klinikum Hamburg-Eppendorf maßgeblich beteiligt war, fanden Wissenschaftler heraus, dass das Medikament (Ursodeoxycholsäure, kurz UDCA) zur Vorbeugung von COVID-19 eingesetzt werden kann. UDCA ist ein seit langem bekanntes, gut verträgliches Medikament mit geringen Nebenwirkun-gen, das vor allem bei Lebererkrankungen Anwendung findet. Zudem steht UDCA nicht mehr unter Patentschutz und kann daher kostengünstig hergestellt werden.

Die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Forschungsergebnisse zeigen, dass UDCA in der Lage ist, die Tür zu verschließen, durch die SARS-CoV-2 in unsere Zellen eindringt, nämlich einen Rezeptor auf der Zelloberfläche, der als ACE2 bekannt ist. Da dieses Medikament auf die Wirtszellen und nicht auf das Virus abzielt, sollte es auch vor allen künftigen neuen Varianten des Virus sowie vor anderen Coronaviren, die möglicherweise auftauchen, schützen.
Dr. Fotios Sampaziotis vom Wellcome-MRC Cambridge Stem Cell Institute an der Universität Cambridge und dem Addenbrooke’s Hospital leitete die Forschungsarbeiten in Zusammenarbeit mit Professor Ludovic Vallier vom Berlin Institute of Health der Charité.
“Wir sind daran interessiert, alternative Wege zu finden, um uns vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen, die nicht vom Immunsystem abhängig sind und die Impfung ergänzen könnten. Wir haben einen Weg gefunden, dem Virus die Tür zu verschließen, so dass es gar nicht erst in unsere Zellen ein-dringen kann und wir vor einer Infektion geschützt sind.”
Aufsehenerregendes Experiment mit der menschlichen Lunge
Um zu testen, ob die Ergebnisse, die Professor Andrew Fisher von der Universität Newcastle und Pro-fessor Chris Watson vom Addenbrooke’s Hospital bei Hamstern erzielten, auch für menschliche Lun-gen gelten, erprobten sie dies an zwei gespendeten Lungen, die für eine Transplantation nicht geeig-net waren. Diese hielten sie außerhalb des Körpers mit einem Beatmungsgerät am Atmen und ver-wendeten eine Pumpe, um blutähnliche Flüssigkeit durch sie zirkulieren zu lassen, damit die Organe funktionsfähig blieben, während sie untersucht werden konnten. Beide Lungen wurden dem Virus durch die Beatmungsluft ausgesetzt, aber nur einer Lunge wurde das Medikament verabreicht. Das Ergebnis: Die mit UDCA gespülte Lunge wies eine sehr viel niedrigere Virenlast auf.
„Dies ist eine der ersten Studien, in der die Wirkung eines Medikaments in einem ganzen menschli-chen Organ getestet wird, während es durchblutet wird. Dies könnte sich als wichtig für die Organ-transplantation erweisen – angesichts des Risikos der Übertragung von COVID-19 durch transplantierte Organe könnte dies die Möglichkeit eröffnen, Organe mit Medikamenten zu behandeln, um das Virus vor der Transplantation zu beseitigen”, so das Fazit von Andrew Fisher von der Universität Newcastle.

Studie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf zeigt: UDCA senkt COVID-19 Risiko
Eine wichtige Grundlage für die Studie waren Untersuchungen der Leberspezialisten des Europäi-schen Referenz-Netzwerks ERN RARE-LIVER, das am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ange-siedelt ist.
„Unsere Studie zeigte deutlich, dass unsere Patienten mit immunologischen Lebererkrankungen, an-ders als erwartet, kein erhöhtes Krankheitsrisiko haben, und wir sogar auffällig wenig Infektionen ins-besondere bei PBC und PSC gefunden haben – den Erkrankungen, bei denen UDCA eingesetzt wird“, erläutert Netzwerkkoordinator Prof. Ansgar W. Lohse.
„Wir rekrutierten gesunde Freiwillige, die das Medikament erhielten. Bei sämtlichen Probanden fand sich ein sehr schneller und deutlicher Abfall des Rezeptors (ACE2) für das Virus. Das deutet darauf hin, dass das Virus weniger Möglichkeiten hat, in ihre Nasenzellen einzudringen und sie zu infizieren – das Haupteinfallstor für das Virus,” erklärt der Leberspezialist. „Außerdem lässt sich die Wirkung von UDCA als vorbeugendes Medikament auch hervorragend mit dem Tragen von Masken kombinieren, um einen vorbeugenden Schutz in besonderen Risikosituationen zu optimieren“, so Lohse weiter.
Es war zwar nicht möglich, eine umfassende klinische Studie durchzuführen, aber die Forscher taten das Nächstbeste: Sie untersuchten die Daten zu den COVID-19-Ergebnissen von zwei unabhängigen internationalen Patientenkohorten und verglichen die Personen, die bereits UDCA zur Behandlung ihrer Lebererkrankung einnahmen, mit Patienten, die das Medikament nicht erhielten. Dabei stellte sich heraus, dass Patienten, die UDCA erhielten, seltener eine schwere COVID-19-Erkrankung entwi-ckelten und ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.
„Diese einzigartige Studie gab uns die Möglichkeit, echte translationale Wissenschaft zu betreiben, indem wir ein Laborergebnis nutzten, um direkt auf einen klinischen Bedarf einzugehen“, erklärte Teresa Brevini, Erstautorin und Doktorandin an der Universität Cambridge.
Dr. Fotios Sampaziotis betont, das Medikament könnte eine erschwingliche und wirksame Möglich-keit sein, diejenigen zu schützen, für die der COVID-19-Impfstoff unwirksam oder unzugänglich ist. “Diese Tablette kostet wenig, kann schnell in großen Mengen hergestellt und leicht gelagert oder ver-sandt werden, so dass sie bei Ausbrüchen schnell eingesetzt werden kann – insbesondere gegen impf-stoffresistente Varianten, wenn sie die einzige Schutzmöglichkeit darstellt, während auf die Entwick-lung neuer Impfstoffe gewartet wird. Wir sind optimistisch, dass dieses Medikament eine wichtige Waffe in unserem Kampf gegen COVID-19 sowie gegen zukünftige Coronaviren sein könnte.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

ern.rareliver@uke.de


Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41586-022-05594-0


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW