Indikationserweiterungen in der Arzneimittel-Zulassung: oft ohne Zusatznutzen-Nachweis



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06.07.2023 10:48

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Indikationserweiterungen in der Arzneimittel-Zulassung: oft ohne Zusatznutzen-Nachweis

Indikationserweiterungen in der Arzneimittel-Zulassung: oft ohne Zusatznutzen-Nachweis
In einem Kommentar im BMJ plädiert die Leiterin des IQWiG-Ressorts Arzneimittelbewertung für Zulassungsregularien, die Arzneimittel mit nachgewiesenem Zusatznutzen fördern anstelle von Me-too-Präparaten.

Eine im BMJ veröffentlichte Studie eines Forschungsteams aus Harvard bestätigt anhand von Health Technology Assessments aus Deutschland und Frankreich einen Trend, der sich schon länger abgezeichnet hat: Während zumindest jedes zweite neue Arzneimittel in seinem ersten Anwendungsgebiet den Betroffenen einen nachgewiesenen Zusatznutzen gegenüber der Standardbehandlung bietet, sinkt dieser Anteil mit jeder weiteren Indikation, für die anschließend ebenfalls eine Zulassung erteilt wird.
Im dritten Anwendungsgebiet ist die Chance eines Zusatznutzens bereits um 45 Prozent kleiner als in der ersten Indikation. Dennoch bemüht sich die Pharmaindustrie häufig erfolgreich um solche Zulassungserweiterungen, um ihren Ressourceneinsatz zu optimieren und die Schutzfristen für ihre Wirkstoffe zu verlängern.

Revision des EU-Arzneimittelrechts bietet Chance zum Nachsteuern

Anders, als viele Menschen glauben, ist eine Überlegenheit gegenüber den bisherigen Therapien keine Voraussetzung für eine Arzneimittel-Zulassung: Die gesetzlichen Vorschriften in Europa und den USA verlangen lediglich eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz, also dass das Arzneimittel mehr nutzt als schadet.
Beate Wieseler, die im IQWiG das Ressort Arzneimittelbewertung leitet, spricht sich in ihrem BMJ-Kommentar zur Harvard-Studie für eine Nachschärfung dieser Vorschriften aus, etwa im Rahmen der geplanten Revision des EU-Arzneimittelrechts. Zwar sei es in gewissem Rahmen sinnvoll, in verschiedenen Indikationen zwischen mehreren Präparaten wählen zu können, etwa um Nebenwirkungen zu minimieren. Aber die Regelwerke sollten eigentlich Anreize für echte Verbesserungen gegenüber den bisherigen Therapien setzen, indem sie Fördermaßnahmen wie die Verlängerung der Marktexklusivität an den Nachweis eines Zusatznutzens gegenüber vorhandenen Therapieoptionen knüpfen.
„Die Studie aus Harvard zeigt einmal mehr: Man muss die tatsächlichen Konsequenzen der Arzneimittelgesetzgebung im Detail analysieren, um Fehlentwicklungen zu erkennen. Dann kann man das Regelwerk evidenzbasiert weiterentwickeln, um Ressourcen bestmöglich einzusetzen, echte Innovationen zu fördern und damit die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu verbessern“, erklärt Wieseler. „So, wie das System derzeit aufgesetzt ist, wird es den Erwartungen von Patientinnen und Patienten, Öffentlichkeit, Ärzteschaft und Politik nicht gerecht.“


Originalpublikation:

https://www.bmj.com/content/382/bmj.p1466


Weitere Informationen:

https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_96…


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW