19.09.2019 11:15
KI ermöglicht klinische Bildgebungsanalyse in der Augenheilkunde
Ein zuverlässiges und schnelles Machine Learning Tool, welches das ARTORG Center der Universität Bern und die Universitätsklinik für Augenheilkunde am Inselspital entwickelt haben, bringt Künstliche Intelligenz (KI) der klinischen Anwendung für Augenerkrankungen näher. Die am 19. September 2019 in Nature Scientific Reports veröffentlichte neuartige Methode extrahiert aus umfangreichen Bilddaten zuverlässig klinisch relevante Informationen. Basierend auf einem Convolutional Neural Network (CNN) liefert das Tool dem Arzt noch während einer Patientenkonsultation in Sekundenschnelle Ergebnisse einer umfassenden Bildanalyse.
Moderne medizinische Bildgebung ermöglicht das engmaschige Monitoring chronischer Augenerkrankungen. Augenärztinnen und Augenärzte entscheiden sich hierzu vor allem für die Optische Kohärenztomographie (englisch: optical coherence tomography), ein bildgebendes Verfahren, das 3D-Bilder des Auges mit extrem hoher Auflösung erzeugt. Aber ohne KI-Unterstützung übersteigt die grosse Menge an Bildern und Informationen die Kapazität der einzelnen Expertin oder des einzelnen Experten . Die Herausforderung der vorliegenden Studie bestand darin, KI bereitzustellen, die eine große augenheilkundliche Datenmenge mit hoher Geschwindigkeit analysieren kann, um während der Patientenkonsultation die Nutzung aller verfügbaren Informationen aus der Bildanalyse zu ermöglichen.
Ein Forschungsteam des Labors Artificial Intelligence in Medical Imaging (AIMI) am ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern sowie der Universitätsklinik für Augenheilkunde am Inselspital, Universitätsspital Bern, präsentiert (nun) ein Machine Learning Tool, das in der Lage ist, eine breite Palette von Biomarkern aus OCT-Scans der Netzhaut zu identifizieren und unverzüglich klinisch relevante Daten zu liefern.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Künstliche Intelligenz entdeckt Biomarker für jeden Krankheitstyp
«In unserem Ansatz klassifiziert die KI OCT-Scans auf der Basis von krankheitstypischen Biomarkern», erklärt Prof. Dr. Raphael Sznitman, Leiter des AIMI-Labors am ARTORG. Biomarker sind Orientierungspunkte und Merkmale in OCT-Scans, die auf eine Krankheit hinweisen oder nach der Behandlung eine Verschlechterung oder Verbesserung anzeigen können. «Was unsere Ergebnisse auszeichnet, ist, dass unser KI-Algorithmus eine umfassende Biomarker-Charakterisierung vornimmt und die Scans auf der Grundlage von gut untersuchten und bekannten klinischen Indikationen klassifiziert. Dabei identifiziert unsere Methode diese Biomarker autonom, also ohne dass ein ausgebildeter Augenarzt die Strukturen, auf die sich die Technologie konzentrieren soll, vorher markieren muss.»
3D-Bildgebung überwacht Makulaerkrankungen
Die weltweit häufigsten Augenerkrankungen gehen mit schädlichen Einflüssen einher, die zu einer Degeneration der Makula führen (Teil des Augenhintergrundes oder der Netzhaut) und führen letztlich zum Erblinden. Prof. Dr. med. Sebastian Wolf, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Augenheilkunde am Inselspital, setzt OCT-Scans zur Therapie chronischer Netzhauterkrankungen wie altersbedingter Makuladegeneration oder diabetischem Makulaödem ein. «Da die Patientenzahlen steigen, müssen automatisierte KI-Tools im klinischen Umfeld entwickelt werden, um Ärztinnen und Ärzte bei der Analyse der umfangreichen Daten von OCT-Scans zu unterstützen. Genaue, umfassende Informationen aus der Analyse von Patienten-OCTs während der Konsultation sind der Schlüssel zu einem künftig besseren Management solcher Erkrankungen. Das hier vorgestellte Tool ist ein wichtiger Schritt zur Erreichung des Ziels einer besseren Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Augenleiden.»
Machine Learning macht die Bilderfülle auswertbar
Computerprogramme können aus der wachsenden Anzahl routinemäßig generierter OCT-Scans automatisch die wichtigsten Informationen extrahieren, zusammenfassen und präsentieren, um Augenärztinnen und Augenärzte im klinischen Alltag oder in der Forschung zu unterstützen. «Unsere automatisierte Analyse kann für Ärzte ein kostengünstiges und zuverlässiges Werkzeug sein, statt jedes Bild manuell durchgehen zu müssen», sagt Thomas Kurmann, Doktorand am ARTORG AIMI Labor. «Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen, dass unsere Künstliche Intelligenz die häufigsten Krankheitstypen konsequent und mit großer Präzision automatisch klassifizieren und eine breite Palette von Biomarkern identifizieren kann, die typischerweise in krankhaft veränderten Augenscans gefunden werden.»
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
• Prof. Dr.-Ing. Dr. med. Sebastian Wolf, Direktor und Chefarzt, Universitätsklinik für Augenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern
• Prof. Dr. Raphael Sznitman, Forschungsgruppenleiter Artificial Intelligence in Medical Imaging und Direktor ARTORG Center for Biomedical Engineering Research, University of Bern
Anhang
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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