27.10.2022 17:21
Knotenzentrische Genexpressionsmodelle (NCEMs): Graph Neural Networks enthüllen Kommunikation zwischen Zellen
Wie kommunizieren einzelne Zellen in einem Gewebe? Und wie können diese Interaktionen modelliert werden, ohne dass die räumlichen Informationen verloren gehen? Forscher:innen um Fabian Theis vom Helmholtz Munich Computational Health Center und der Technischen Universität München (TUM) haben eine neue Methode zur Darstellung der Zellkommunikation entwickelt: knotenzentrischen Genexpressionsmodelle (NCEM). Diese Modelle sind Graph-basierte neuronalen Netze und helfen dabei, das Zusammenspiel von Gewebs-Nischen und Genexpressionen aufzudecken, ohne dabei die räumlichen Informationen zu verlieren.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Zellen interagieren auf unterschiedliche Weise und auf verschiedenen Längenskalen miteinander. Die Interaktion einer einzelnen Zelle mit der ihr nahegelegenen Zellen (der Gewebs-Nische) kann durch Ereignisse der Zellkommunikation beschrieben werden. Um diese Vorgänge zu verstehen, erstellen Forscher:innen auf der ganzen Welt Modelle, die auf verschiedenen Strategien beruhen. Dieses Wissen ist von entscheidender Bedeutung, um neu auftretende Phänomene in der Mikroumgebung von Geweben zu verstehen und zu erkennen, wie beispielsweise genetische Veränderungen in einem Tumor entstehen. Das Problem: Viele der Modelle basieren auf dissoziierten Geweben, was bedeutet, dass die Zellen bei der Analyse einzeln und nicht mehr als Netzwerk in ihrer natürlichen Umgebung betrachtet werden. Andere Modelle beschränken sich auf die Rezeptor-Ligand-Signalübertragung, eine bestimmte Art der Kommunikation zwischen Zellen. Diese Modelle ignorieren daher die räumliche Nähe einer Gruppe von Zellen in ihrer natürlichen Gewebe-Umgebung. Forscher:innen um Fabian Theis vom Helmholtz Munich Computational Health Center und der Technischen Universität München (TUM) haben nun eine neue Methode entwickelt, die die Komplexität der räumlichen Informationen definiert und das Verständnis der Zellkommunikation verbessert: knotenzentrischen Genexpressionsmodelle (NCEMs).
Ein flexibles Gerüst
Die Besonderheit des neu entwickelten Modells: NCEM ist eine Berechnungsmethode, die Graph-basierte neuronale Netze benutzt, um transkriptomische Varianz zu verstehen (heißt die Untersuchung der Genexpressionen) und so Zellkommunikation modelliert. Das Modell ist daher in der Lage das Genexpressionsprofil einer Zelle auf der Grundlage der sie umgebenden Zellen vorherzusagen. Darüber hinaus schätzt es die Auswirkung der Zusammensetzung einer Gewebe-Nische auf die Genexpression auf unverzerrte Weise aus räumlichen molekularen Profildaten.
In ihrem Modell entwickelten die Forscher:innen ein flexibles Gerüst zur Erklärung von Variationen der Genexpression, die in der räumlich aufgelösten Transkriptomik beobachtet werden können. Genexpressions-Schwankungen können durch diese Methodik mit bekannten molekularen Prozessen in Verbindung gebracht werden, die mit Zellkommunikations-Ereignissen verbunden sind. Die Forscher:innen zeigten, dass NCEMs robuste Zell-Zell-Abhängigkeiten über verschiedene räumliche Transkriptomik-Technologien und auf Längenskalen identifizieren können, die für bekannte Kommunikations-Mechanismen charakteristisch sind. Mit dieser Methode waren die Erstautoren David Fischer und Anna Schaar in der Lage, Signaturen von molekularen Prozessen zu erkennen, von denen bekannt ist, dass sie der Zellkommunikation zugrunde liegen.
Ein neuer Weg zur Identifizierung der Zellkommunikation
Das neu entwickelte Modell schränkt Kommunikationsereignisse auf Zellen ein, die sich in räumlicher Nähe befinden. Die identifizierten Abhängigkeiten beschränken sich nicht auf die Liganden-Rezeptor-basierte Kommunikation, sondern können beispielsweise auch physikalische Interaktionen oder den Austausch von Metaboliten erklären.
NCEM ist eine flexible Berechnungsmethode, die auf komplexe Datensätze – wie beispielsweise räumliche 3D-Transkriptomikdaten oder Daten mit höherem Durchsatz – erweitert werden kann. Sie bietet daher ein flexibles Instrumentarium für die Analyse der Zell-Zell-Kommunikation im Raum. Die neuartige Methodik ergänzt die jüngsten Bemühungen zur Charakterisierung der Genexpression Einzelzell-Atlas-Projekte, indem sie in diesem speziellen Fall die Gewebe-Nischen berücksichtigen.
Über die Wissenschaftler:
Prof. Dr. Dr. Fabian Theis, Direktor bei Helmholtz Munich, Computational Health Center; Professor an der Mathematical Modelling of Biological Systems der Technischen Universität München (TUM), TUM School of Life Sciences Weihenstephan, TUM School of Computation, Information and Technology.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dr. Fabian Theis, fabian.theis@helmholtz-muenchen.de
Originalpublikation:
Fischer and Schaar et al. (2022). Modeling intercellular communication in tissues using spatial graphs of cells, Nature Biotechnology, 10.1038/s41587-022-01467-z
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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