18.03.2022 14:49
Lungengewebe aus dem Labor
• Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, auf einfache Weise Lungengewebe im Labor zu züchten.
• Diese Organoide könnten in der Diagnose, in der Medikamentenentwicklung und in der Grundlagenforschung eingesetzt werden.
• „Mit dieser unkomplizierten Methode könnten wir künftig sogar das Gewebe einzelner Lungenpatient*innen im Labor züchten, um hoffentlich schon vorab zu prüfen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht“, erklärt Dr. Peter Walentek.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Laboruntersuchungen an Lungengewebe erforderten bisher meist die Entnahme größerer Mengen menschlichen oder tierischen Gewebes. Nun ist es Wissenschaftler*innen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg gemeinsam mit amerikanischen Forschenden gelungen, aus wenigen Körperzellen im Labor kleine Einheiten an Lungengewebe zu züchten, sogenannte Organoide. Das sich entwickelnde Gewebe bildet eine dreidimensionale Struktur mitsamt der Härchen auf der Oberfläche aus, wie sie für das Lungengewebe typisch ist. Diese Organoide können künftig in der Erforschung von Lungenkrankheiten, der Medikamentenentwicklung oder der personalisierten Medizin eine wichtige Rolle spielen. Ihr Vorgehen veröffentlichten die Forscher*innen in der Onlineausgabe des American Journal of Physiology.
„Die von uns entwickelte Methode zur Züchtung von Lungengewebe ist einfach und kostengünstig, und bildet wichtige biologische Aspekte sehr gut ab“, sagt der Freiburger Studienleiter Dr. Peter Walentek, Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg und Wissenschaftler am Universitätsklinikum Freiburg. Zudem ist er Mitglied im Exzellenzcluster Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg. Die Studie wurde von Wissenschaftler*innen der University of California in San Francisco/USA geleitet, die eng mit den Freiburger Forscher*innen zusammenarbeiteten. Sie kombinierten Lungenzellen nach zweiwöchiger Kultivierung im Labor mit zwei Botenstoffen, woraufhin Stammzellen positiv beeinflusst wurden und sich die Organoide bildeten. Bislang waren dafür viele Schritte notwendig, so mussten entnommene Zellen zunächst mittels komplizierter Methoden in einen Embryo-ähnlichen Zustand gebracht werden. Weiterhin war bisher die Außenseite des Gewebes in solchen Organoiden stets nach innen gerichtet und entsprach deutlich weniger dem natürlichen Vorbild.
Organoide ermöglichen individuelle Therapieplanung
Aus Zellen von Patient*innen mit der Lungenkrankheit zystische Fibrose, auch Mukoviszidose genannt, entwickelten sich im Labor charakteristisch veränderte Organoide. „Mit dieser unkomplizierten Methode könnten wir künftig sogar das Gewebe einzelner Lungenpatient*innen im Labor züchten, um hoffentlich schon vorab zu prüfen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht“, so Walentek. Anhand der Organoide können die Wissenschaftler*innen außerdem erforschen, wie sich gesundes Lungengewebe entwickelt, und wie sich Erbgut-Veränderungen genau auswirken, etwa auf die Ausbildung der Flimmerhärchen, auch Zilien genannt. „Die Fehlbildung dieser Zilien führt nicht nur zu Lungenkrankheiten, sondern unter anderem auch zu genetischen Nierenerkrankungen, die wir im Rahmen des Sonderforschungsbereichs NephGen (SFB1453) untersuchen“, sagt Walentek.
Methode bietet Ersatz zu Tiermodellen
Bislang werden die gesunde Entwicklung von Lungengewebe und genetische Lungenkrankheiten häufig in Tiermodellen untersucht. Die jetzt etablierte Methode dürfte einen Teil derartiger Untersuchungen ersetzen können: „Gewebe in seiner natürlichen dreidimensionalen Form im Labor zu züchten ist ein wichtiger Weg, um den Einsatz von Tieren in der Forschung zu reduzieren. Auch deshalb ist diese Forschung von so großer Bedeutung“, sagt Prof. Dr. Lutz Hein, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Peter Walentek
Emmy-Noether-Gruppenleiter
Medizinische Fakultät der Universität Freiburg
und
Klinik für Innere Medizin IV
Universitätsklinikum Freiburg
Tel.: 0761/270-63089
E-Mail: peter.walentek@medizin.uni-freiburg.de
Originalpublikation:
Boecking, C. A., Walentek, P. et al. (2022): A simple method to generate human airway epithelial organoids with externally-oriented apical membranes. In: American Journal of Physiology. DOI: 10.1152/ajplung.00536.2020
Weitere Informationen:
https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2022/lungengewebe-aus-dem-labor
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
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