Medikamentenentwicklung: Studie identifiziert neue Bindestellen für zielgerichtete Therapien



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13.02.2023 13:39

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Medikamentenentwicklung: Studie identifiziert neue Bindestellen für zielgerichtete Therapien

Bereits seit vielen Jahren forscht das Team von Principal Investigator Georg Winter am CeMM an der Entwicklung einer neuen Generation an Medikamenten, die durch gezielten Abbau schadhafter, krankheitserregender Proteine mittels sogenannter Degrader höhere Therapieerfolge erzielen. In ihrer aktuellen Studie, veröffentlicht im Journal of the American Chemical Society (JACS), präsentieren die Wissenschafter:innen eine neue Methode, um zielgerichtet neue Moleküle zu identifizieren, die als Degrader fungieren und damit für Medikamente herangezogen werden könnten.

Die neueste Generation an Medikamenten setzt auf einen gezielten Abbau schadhafter Proteine. Dabei werden chemische Moleküle herangezogen, die die Verbindung eines schadhaften, krankheitserregenden Proteins mit der zelleigenen Müllabfuhr, einer sogenannten E3- Ligase, herstellen. In der Wissenschaft spricht man dabei von „Targeted Protein Degradation“. Die aktuell bekannten Abbaumoleküle, sogenannte Degrader, binden allerdings nur an eine Hand voll E3-Ligasen, die somit für die Therapie herangezogen werden können. Georg Winter, Principal Investigator am CeMM, dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW, erklärt: „Es gibt rund 600 E3-Ligasen in einer menschlichen Zelle. Wir suchen nach einem Weg, für möglichst viele dieser E3-Ligasen einen passenden Degrader, ein passendes Abbaumolekül zu finden, das diese rekrutiert. Dadurch können sich neue Therapiewege eröffnen, insbesondere für Patient:innen, deren Therapie aufgrund entwickelter Resistenzen nicht mehr wirksam ist“. In ihrer Studie zeigen Erstautor Alexander Hanzl und seine Kolleg:innen eine Methode, die es ermöglicht, passende Degradermoleküle gezielt für eine bestimmte E3-Ligase zu finden. „Nehmen wir an, in bestimmten Krebszellen zeigt sich eine bestimmte E3-Ligase als besonders exprimiert. Dann ist es wichtig, auch eine Degrader zu finden, der genau diese E3-Ligase rekrutieren kann.“, so Hanzl.

Selbstabbaumechanismus der E3-Ligase macht Degrader erkennbar

Aufbauend auf einer früheren Charakterisierung der sogenannten cullin-RING-E3-Ligase (CRL) Regulierung, einem „Selbstabbaumechanismus“ der E3-Ligasen, zeigen Hanzl und Winter, wie durch das Zuführen von Degradern und Inhibitoren an eine E3 Ligase neue, spezifische Abbaumoleküle identifiziert werden können. „Auf diesem Weg können binnen drei bis sechs Tagen rund 10.000 Moleküle auf ihre Degraderfunktion für eine bestimmte E3-Ligase gescreent werden“, so Hanzl. Georg Winter ergänzt:
„Mit zunehmenden klinischen Studien zur Wirksamkeit von Degradern wird sichtbar, dass mit der Zeit Therapieresistenzen auftreten können, die sich von bisher beschriebenen Resistenzmechanismen bei Therapien mit traditionellen Inhibitor-basierenden Medikamenten unterscheiden. Umso wichtiger ist es, möglichst viele E3-Ligasen rekrutieren zu können, um alternativ neue Therapiewege gehen zu können. Mit unserer Studie gehen wir einen Schritt in diese Richtung und präsentieren den ersten skalierbaren Ansatz für die Suche nach E3-Ligase-selektiven Abbaumolekülen.“

Wirksamkeit signifikant erhöhen

Aktuell werden zahlreiche Degrader-Medikamente in klinischen Studien getestet, einige stehen Patient:innen auch bereits zur Verfügung, insbesondere für verschiedene Blutkrebsarten. „Traditionelle Therapeutika, die den Ansatz verfolgen eine isolierte Funktion eines Proteins zu blockieren, erreichen nur rund 20 Prozent unsere Proteine. Die anderen 80 Prozent verfügen über keine geeignete Bindungsstelle und sind somit nicht erschließbar. Wir sehen in der neuen Generation an Medikamenten mittels Degradern zum zielgerichteten Proteinabbau ein großes Potenzial, dass man hier signifikant erhöhen kann und vielleicht in Zukunft bis zu 80 Prozent der Proteine erreicht“, so Winter. Um auftretenden Resistenzen überwinden zu können, ist es wichtig, möglichst viele E3-Ligasen mit Degradern rekrutieren und somit den „Abtransport“ schadhafter Proteine sicherstellen zu können.
Die Studienergebnisse zeigt eine Methode, die das Identifizieren von Degradern für bestimmte E3-Ligasen verbessern soll, umso die Entwicklung von verbesserten Therapien voranzutreiben.

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Förderung: Georg Winters Forschungsgruppe wird vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union (Grant Agreement 851478) sowie vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF, Projekte P32125, P31690 und P7909) gefördert.

Georg Winter absolvierte sein PhD Studium am CeMM, wo er im Labor von Giulio Superti-Furga an der Aufklärung des Wirkmechanismus von Antineoplastika arbeitete. Er spezialisierte sich auf Proteomik sowie chemisch-genetische Ansätze zur Identifizierung von Arzneimittelresistenzmechanismen und zur mechanistischen Aufklärung synergistischer Arzneimittelkombinationen. Nach der Promotion an der Medizinischen Universität Wien setzte er seine Ausbildung in chemischer Biologie fort und arbeitete als Postdoktorand bei James Bradner am Dana Farber Cancer Institute der Harvard Medical School. Dort entwickelte er eine pharmakologische Lösung für den Abbau von Zielproteinen und wandte diese Strategie auf die Untersuchung der Genregulation an. Seit 2016 ist Georg Winter Principal Investigator am CeMM. Sein Labor entwickelt Methoden und wendet diese für den Abbau von Zielproteinen an, um onkogene Transkriptionskreise zu verstehen und zu blockieren. Zu diesem Zweck kombiniert das Winter-Labor phänotypische Wirkstoff-Screenings, chemische Genetik und Ansätze zur Identifizierung von Wirkstoffzielen mit ganzheitlichen Messungen der globalen Genaktivität und der Genomstruktur. Ziel der Forschung von Georg Winter ist es, Grundlagenforschung zur Genregulation und zum Ubiquitin-Proteasom-System mit funktioneller Genomik und der Entwicklung chemischer Substanzen zu verbinden, um neue und personalisierte therapeutische Paradigmen zu entwickeln.

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen, seltene Erkrankungen sowie das Altern. Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
www.cemm.at


Originalpublikation:

Hanzl A, Barone E, Bauer S, Yue H, Nowak RP, Hahn E, Pankevich EV, Koren A, Kubicek S, Fischer ES, Winter GE. E3-Specific Degrader Discovery by Dynamic Tracing of Substrate Receptor Abundance. J Am Chem Soc. 2023 Jan 18;145(2):1176-1184. doi: 10.1021/jacs.2c10784.


Bilder

Alexander Hanzl und Georg Winter

Alexander Hanzl und Georg Winter
Laura Alvarez
CeMM


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW