Mehrheit überschätzt die eigenen Fähigkeiten beim Zähneputzen



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28.07.2023 12:52

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Mehrheit überschätzt die eigenen Fähigkeiten beim Zähneputzen

Studien des Instituts für Medizinische Psychologie zeigen weit verbreitete Defizite – Viele nutzen die falsche Technik, halten sich aber für kompetent

Zähneputzen: Nichts einfacher als das! Das denken wahrscheinlich die meisten, denn tatsächlich putzen ja auch fast alle Menschen hierzulande täglich mindestens einmal ihre Zähne. Ob sie es deswegen auch gut können, ist eine andere Frage. Studien zeigen, dass die wenigsten das eigentliche Ziel des Zähneputzens – saubere Zähne – erreichen. Warum das so ist, damit befassen sich zwei neue Studien der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Renate Deinzer am Institut für Medizinische Psychologie der Justus-Liebig-Universität Gießen.

In der ersten Studie, die in der Zeitschrift „BMC Oral Health“ erschienen ist, sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mithilfe eines Fragebogens die Sauberkeit ihrer Zähne unmittelbar nach dem Zähneputzen einschätzen. Die Gießener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten herausfinden, ob sich die Menschen der Defizite bezüglich ihres Putzerfolges bewusst sind. Das Ergebnis: Alle Studiengruppen schätzten die Sauberkeit ihrer Zähne als sehr hoch ein. Im Mittel gingen sie davon aus, dass sie etwa 70 Prozent der Messstellen am Zahnfleischrand sauber geputzt hatten – tatsächlich waren es aber nur um die 30 Prozent.

In der zweiten Studie, die in derselben Zeitschrift erschien, verglich die Gießener Arbeitsgruppe zwei Gruppen, die unterschiedliche Anweisungen zum Zähneputzen erhalten hatten. Die eine Gruppe sollte ihre Zähne „wie gewöhnlich“ putzen, die andere Gruppe hingegen „so gründlich wie möglich, so dass sie ganz sauber sind“. Das Ergebnis: Die Versuchspersonen, die „so gründlich wie möglich“ putzen sollten, putzten ihre Zähne wesentlich länger und verwendeten häufiger Zahnseide – ihre Zähne waren jedoch nicht sauberer als die der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ersten Gruppe.

Unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit waren weniger als 40 Prozent der Messstellen am Zahnfleischrand plaquefrei. Das scheint nicht verwunderlich, da beide Gruppen gleichermaßen ihre Zahninnenflächen vernachlässigten. Auch hinsichtlich der Zahnputztechniken unterschieden sie sich nicht, und bei der Zahnzwischenraumpflege machten sie dieselben Fehler.

Um die Mundhygiene zu verbessern, reicht es nicht aus, länger zu putzen und Zahnseide zu verwenden. Viele Menschen scheinen allerdings nur diese Aspekte im Kopf zu haben, wenn es darum geht, die Zähne möglichst gründlich zu putzen. Das zeigt: Bei der Frage nach der „richtigen“ Zahnputztechnik denken viele Menschen eher daran, dass man viel tun muss, und nicht, dass es auch auf die Qualität ankommt. Diese Annahme wird auch dadurch unterstrichen, wie die Testpersonen die Sauberkeit ihrer Zähne einschätzen: Jene Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die ihre Zähne „so gründlich wie möglich“ (und somit länger) geputzt hatten, schätzten die Sauberkeit signifikant höher ein, als diejenigen, die ihre Zähne „wie gewöhnlich“ geputzt hatten – auch wenn ihre Zähne nicht sauberer waren. Dies sei ein Dilemma, betont Prof. Deinzer: „Ohne ein Problembewusstsein für die eigenen mangelhaften Fertigkeiten fehlt die Einsicht, dass Zeit und Mühe investiert werden müssen, um das Zähneputzen nochmal neu zu lernen. Ein solches Problembewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen, ist die nächste Herausforderung – für das Institut und die Zahnmedizin überhaupt.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Renate Deinzer, Institut für Medizinische Psychologie
Telefon: 0641 99-45681
E-Mail: Renate.Deinzer@mp.med.uni-giessen.de


Originalpublikation:

Eidenhardt, Z., Busse, S., Margraf-Stiksrud, J. et al. Patients’ awareness regarding the quality of their oral hygiene: development and validation of a new measurement instrument. BMC Oral Health 22, 629 (2022).
https://doi.org/10.1186/s12903-022-02659-4

Weik, U., Shankar-Subramanian, S., Sämann, T. et al. “You should brush your teeth better”: a randomized controlled trial comparing best-possible versus as-usual toothbrushing. BMC Oral Health 23, 456 (2023).
https://doi.org/10.1186/s12903-023-03127-3


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW