Mit dem Milbentaxi zum Nachbarwirt: Honigbienen-Parasit Varroa-Milbe wird auch Wildbienen gefährlich



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17.06.2019 12:22

Mit dem Milbentaxi zum Nachbarwirt: Honigbienen-Parasit Varroa-Milbe wird auch Wildbienen gefährlich

Ein Forscherteam um die Ulmer Professorin Lena Wilfert hat herausgefunden, dass ein wichtiger Parasit der Honigbiene, die Varroa-Milbe, auch für Wildbienen wie Hummeln gefährlich werden kann. Und das, obwohl die Milben die Wildbienen gar nicht befallen. Der Grund: die Milben kurbeln die Übertragung des Flügeldeformationsvirus an, der dann im gemeinsam geteilten Lebensraum von den Bienen auf die Hummeln übertragen wird. Für die Studie, die in der Fachzeitschrift Ecology Letters veröffentlicht wurde, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem natürlichen Experiment die Ausbreitungswege erforscht.

Ein Forscherteam um die Ulmer Professorin Lena Wilfert hat herausgefunden, dass ein wichtiger Parasit der Honigbiene, die Varroa-Milbe, auch für Wildbienen wie Hummeln gefährlich werden kann. Und das, obwohl die Milben die Wildbienen gar nicht befallen. Der Grund: die Milben kurbeln die Übertragung des Flügeldeformationsvirus an, der dann im gemeinsam geteilten Lebensraum von den Bienen auf die Hummeln übertragen wird. Für die Studie, die in der Fachzeitschrift Ecology Letters veröffentlicht wurde, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem natürlichen Experiment die Ausbreitungswege erforscht.

Die Varroa-Milbe ist ein Honigbienenparasit. Sie hat es auf die Kleinsten im Bienenvolk abgesehen und entwickelt und vermehrt sich in der Brut. In der abgedeckelten Brutzelle ernährt sich der Schädling erst vom Nahrungsvorrat der Bienenlarven und wenn dieser aufgebraucht ist, saugt die Milbe an der Larve selbst. „Dabei hat es die Varroamilbe nicht nur auf die nährstoffreichen Fettkörper des Wirtstieres abgesehen, sondern sie überträgt dabei oft noch ein hochgefährliches Bienenvirus, das ganze Kolonien vernichten kann: das Flügeldeformationsvirus“, erklärt Professorin Lena Wilfert. Die Biologin aus dem Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik an der Universität Ulm hat gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern aus Großbritannien und den USA die Verbreitung dieses gefährlichen Bienenvirus bei Honigbienen und wilden Hummeln untersucht.

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Das Forscherteam mit Ökologen und Molekularbiologen aus Exeter, Berkeley und Ulm hat dafür in einer Art natürlichem Experiment untersucht, wie sich die Ausbreitung des Deformed Wing Virus (DWV), so der englische Name, in Gebieten mit und ohne Milbenbefall unterscheidet. Verglichen haben die Wissenschaftler dabei Varroa-freie und Varroa-befallene Inseln vor der französischen und britischen Küste. Dabei fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass das Flügeldeformationsvirus – wie erwartet – in den Milbengebieten am massivsten verbreitet war. Die Infektionsraten waren dort deutlich erhöht. Und ein weiterer Befund zeigte sich in der Studie: in den Regionen, in denen Honigbienen stark mit den Varroamilben befallen waren, war das Virus auch viel stärker unter den Wildbienen verbreitet. So fanden die Forschenden auch Hummeln, die vom selben Virustyp befallen waren – und das, obwohl die Hummeln selbst gar keine Wirtstiere für die Milben sind.

„Honig- und Wildbienen teilen sich gemeinsame Lebensräume und nutzen dieselben Pflanzen. Dabei kommt es wohl zur Übertragung von der einen Wirtsart auf die andere“, sagt Robyn Manley, Post-Doktorandin am Centre for Ecology and Conservation der University of Exeter. Dort hat auch Manleys Doktormutter Professorin Lena Wilfert geforscht, bevor sie im Oktober 2018 an die Universität Ulm kam. „Die Milbe fungiert als Virus-Taxi nur innerhalb einer Wirtsart. Für den Sprung auf den anderen Wirt wählt das Virus einen unterschiedlichen Weg und springt direkt von Wirtstier zu Wirtstier. Aus evolutionsbiologischer und infektionsökologischer Perspektive ist dies ein spannender Vorgang, der nachweist, wie sich Infektionskrankheiten neue Routen zur Ausbreitung erschließen“, so die Evolutionsökologin Wilfert, die sich in ihrer Forschung auf Fragen zur Infektionsökologie spezialisiert hat.

Der Flügeldeformationsvirus befällt Bienen vor allem im Larven- oder im Verpuppungsstadium. Bei erwachsenen Bienen erkennt man die Krankheit an der Deformation der Flügel, der Verkürzung des Hinterleibes sowie an Verfärbungen. Viele infizierte Larven sind gar nicht erst lebensfähig und sterben, nach dem sie geschlüpft sind. Befallene Bienenvölker schaffen es daher meist nicht über den Winter. Für die betroffenen Imker sind auch die ökonomischen Schäden immens. Laut Bienenseuchen-Verordnung sind in Deutschland daher alle Besitzer von Bienenvölkern aufgerufen, Bienenstände, die mit den Virus-übertragenden Varroa-Milben befallen sind, entsprechend zu behandeln. „Von diesen Schutzmaßnahmen profitieren auch die Wildbienen. Daher ist es auch ökologisch von großer Bedeutung, die Honigbienenvölker milbenfrei zu halten“, betonen Wilfert und Manley. Ein Problem sehen Imkervereine und auch die beiden Biologinnen darin, dass das Halten von Bienen – wie das Urban Gardening – zu einem weit verbreiteten Trend geworden ist. Das heißt, immer mehr Menschen halten sich Bienen, ohne ausreichendes Wissen über Bienenkrankheiten, deren Vorbeugung und Behandlung. Die Ergebnisse des internationalen Forschungsteams zeigen nun, dass es umso wichtiger ist, solche Gesundheitsgefahren für Honigbienen aktiv zu bekämpfen, um auch die Wildbienen ausreichend zu schützen. Gefördert wurde diese Forschungsarbeit durch die Royal Society, den CB Dennis Trust, die Genetics Society und den Natural Environment Research Council.

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Lena Wilfert, Tel.: 0731 / 22661, E-Mail: lena.wilfert@uni-ulm.de


Originalpublikation:

Literaturhinweis:
Manley, R., Temperton, B., Doyle, T., Gates, D., Hedges, S., Boots, M. and Wilfert, L. (2019), Knock‐on community impacts of a novel vector: spillover of emerging DWV‐B from Varroa‐infested honeybees to wild bumblebees. Ecology Letters doi:10.1111/ele.13323


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW