Molekularer Turmwächter



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08.08.2023 11:48

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Molekularer Turmwächter

Wie ein Protein der Zelle bei Nährstoffmangel hilft

Sei es bei dünner Luft in den Bergen oder aufgrund von verengten Blutgefäßen sowie bei Lungenerkrankungen: Auf Sauerstoffmangel reagiert der Körper unter anderem durch die Bildung des Proteins HIF-1α, das die Anpassung an die verminderte Versorgung mit Sauerstoff koordiniert. Dieses Protein spielt aber auch bei verschiedenen sauerstoffunabhängigen Prozessen eine wichtige Rolle. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Gießen und Frankfurt am Main haben nun eine neue sauerstoffunabhängige Funktion von HIF-1α entdeckt: Sie stellten fest, dass die kurzzeitige Aktivierung des HIF-1α-Proteins nach der Zellteilung eine bessere Nährstoffversorgung für die Zellen bewirkt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Cell Death & Disease“ veröffentlicht worden.

Wie das Forschungsteam von Prof. Dr. Lienhard Schmitz, Biochemisches Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Kracht (Rudolf-Buchheim-Institut für Pharmakologie der JLU) und Prof. Dr. Ingrid Fleming (Goethe-Universität Frankfurt) zeigen konnte, dient diese kurzzeitige Aktivierung von HIF-1α nach der Zellteilung einer Überwachungsfunktion. „Man kann sie mit der Tätigkeit eines mittelalterlichen Turmwächters vergleichen, der die Bevölkerung bei Gefahr gewarnt hat“, erläutert Prof. Schmitz. „Ähnlich wie der Turmwächter ist auch das kurzzeitig aktivierte HIF-1α-Protein nur in Notsituationen wichtig. Eine solche Notsituation ist bei der Zelle eine unzureichende Versorgung mit Nährstoffen.“ Die Studie zeigt, dass das über den Zellzyklus regulierte HIF-1α-Protein verschiedene Stoffwechselwege umprogrammieren kann, um eine verbesserte Versorgung mit Nährstoffen zu bewirken und somit das Überleben der Zellen zu sichern.

„Obwohl HIF-1α sehr gut untersucht ist und seine Entdeckung durch amerikanische und britische Wissenschaftler im Jahr 2019 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, scheint dieser zentrale Schalter noch viele unverstandene Mechanismen zu regulieren“, so Prof. Schmitz.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. M. Lienhard Schmitz, Biochemisches Institut
Telefon: 0641 99-47570
E-Mail: Lienhard.Schmitz@biochemie.med.uni-giessen.de


Originalpublikation:

A transient increase of HIF-1α during the G1 phase (G1-HIF) ensures cell survival under nutritional stress. Belapurkar R, Pfisterer M, Dreute J, Werner S, Zukunft S, Fleming I, Kracht M, Schmitz ML. Cell Death Dis 14, 477 (2023).
https://doi.org/10.1038/s41419-023-06012-7


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch


 

Quelle: IDW