Neugeborenenscreening: Frühe SMA-Diagnose verbessert Behandlung



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09.04.2024 13:25

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Neugeborenenscreening: Frühe SMA-Diagnose verbessert Behandlung

Kinder mit Spinaler Muskelatrophie entwickeln sich motorisch deutlich besser, wenn die Behandlung vor Symptombeginn startet / Studie des SMArtCARE Netzwerks belegt die Bedeutung des Neugeborenenscreenings

Wird bei Kindern die Diagnose Spinale Muskelatrophie (SMA) bereits im Neugeborenenscreening gestellt und direkt mit der Behandlung begonnen, zeigen sie eine deutlich bessere motorische Entwicklung als bei Diagnose nach Symptombeginn. Das zeigt die Studie eines internationalen Forschungsteams unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg, die am 8. April 2024 in JAMA Pediatrics erschienen ist. Sie verdeutlicht, wie entscheidend eine frühzeitige Diagnose und Behandlung für die Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Kinder ist.

SMA ist eine seltene genetische Erkrankung, die die Muskelkontrolle beeinträchtigt. „Die Studie bestätigt den Nutzen des Neugeborenenscreenings, das vielen betroffenen Kindern eine Chance auf eine nahezu normale Entwicklung gibt,” erklärt Prof. Dr. Janbernd Kirschner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen des Universitätsklinikums Freiburg.

Bei 44 Kindern wurde die Krankheit dank Screening entdeckt

Bereits seit 2018 wurde in einigen Regionen in Deutschlands das Neugeborenenscreening für SMA in einem Pilotprojekt erprobt. In der kontrollierten Studie des SMArtCARE Registers konnten nun die 44 Kinder, die durch Screening identifiziert wurden, mit 190 Kindern verglichen werden, die im gleichen Zeitraum erst nach dem Auftreten von Symptomen diagnostiziert wurden. Kinder, die durch das Neugeborenenscreening identifiziert wurde begannen durchschnittlich mit 1,3 Monaten mit einer medikamentösen Behandlung, verglichen mit 10,7 Monaten bei Kindern, die erst nach Symptombeginn diagnostiziert wurden. Die früh diagnostizierten Kinder lernten zu 90,9 Prozent selbstständig sitzen und zu 63,6 Prozent gehen, im Vergleich zu 74,2 Prozent bzw. 14,7 Prozent in der später diagnostizierten Gruppe.

Seit Oktober 2021 ist ein genetischer Test auf SMA in Deutschland Teil des allgemeinen Neugeborenenscreenings. In vielen anderen Ländern wird aber noch diskutiert, ob der Aufwand und die Kosten für die Untersuchung aller Neugeborenen gerechtfertigt sind. Die aktuelle Studie belegt erstmalig den Nutzen des Neugeborenenscreenings durch den Vergleich mit einer parallelen Kontrollgruppe. „Die Ergebnisse unserer Studie sprechen klar für die Aufnahme der SMA in Neugeborenenscreening-Programme und heben die Bedeutung der Früherkennung für die betroffenen Kinder hervor“, so Kirschner.

Spinale Muskelatrophie: Zunehmende Muskelschwäche führt zu Lähmungen

Die Spinale Muskelatrophie ist eine relativ häufige „Seltene Erkrankung“: Ungefähr eines von 6 -10.000 Neugeborenen ist betroffen und ungefähr eine von 45 Personen ist Anlageträger*in für die Erkrankung. SMA führt zu Muskelschwäche, besonders in den Muskeln nahe dem Rumpf und stärker in den Beinen als in den Armen. Auch Kau- und Schluckmuskulatur sowie Atemmuskulatur können betroffen sein, was die Anfälligkeit für Lungenprobleme erhöht. Seit einigen Jahren stehen verschiedene medikamentöse Therapien zur Verfügung, die insbesondere bei frühem Therapiebeginn den Krankheitsverlauf deutlich verbessern. Während früher viele Betroffene verstorben sind, ist das heute eher die Ausnahme.

SMArtCARE Register

Das SMArtCARE Register (www.smartcare.de) ist eine gemeinsame Initiative von Neurolog*innen, Neuropädiater*innen und Patientenorganisationen im deutschsprachigen Raum. In einem krankheitsspezifischen Register werden Daten aus der klinischen Routine von Personen mit SMA gesammelt ist. Ziel der Datensammlung ist es weitere Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der verschiedenen Therapien zu sammeln. Aktuell beteiligen sich über 70 Kliniken an der Initiative, die vom Universitätsklinikum Freiburg geleitet wird. Bisher wurden über 20.000 Visiten von 1.900 teilnehmenden Patient*innen gesammelt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Janbernd Kirschner
Ärztlicher Direktor
Klinik Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
UNIVERSITAETSKLINIKUM FREIBURG
Tel +49 761 270-43150
Janbernd.Kirschner@uniklinik-freiburg.de


Originalpublikation:

Original-Titel der Publikation: Clinical Effectiveness of Newborn Screening for Spinal Muscular Atrophy – A Nonrandomized Controlled Trial
DOI: 10.1001/jamapediatrics.2024.0492
Link zur Studie: https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2817302


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW