Parkinson-Proteine haben molekulare Leibgarde



Teilen: 

04.12.2019 19:00

Parkinson-Proteine haben molekulare Leibgarde

Helferproteine in menschlichen Zellen gehen eine dynamische Verbindung mit dem Parkinson-Protein α-Synuclein ein. Wird die Beziehung zu diesen «Leibwächtern» gestört, kommt es zu Zellschäden und zur Entstehung der für Parkinson typischen Lewy-Körperchen. Dies berichtet ein Forschungsteam am Biozentrum der Universität Basel in «Nature».

Die Parkinson-Krankheit gehört zu den häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. In der Schweiz leben etwa 15’000 Betroffene. Aufgrund der weltweit steigenden Lebenserwartung, rechnet man mit einem rasanten Anstieg von Parkinson-Fällen. Die Ursachen von Parkinson, bei dem es zu einem fortschreitenden Absterben von Nervenzellen im Gehirn kommt, sind bis heute nicht genau bekannt. Daher ist die Entwicklung wirkungsvoller Therapien umso schwieriger.

Einig ist man sich darüber, dass das Protein α-Synuclein eine Rolle bei der Entstehung von Parkinson spielt. Forscher um den Strukturbiologen Prof. Sebastian Hiller haben nun herausgefunden, dass Helferproteine, sogenannte Chaperone, wie persönliche Leibwächter dieses Protein in menschlichen Zellen ständig bewachen. Können die Chaperone ihr Aufgabe nicht wahrnehmen, zeigt α-Synuclein seine negativen Seiten und verursacht gravierende Schäden in der Zelle.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Molekulare Leibwächter interagieren mit α-Synuclein

In menschlichen Zellen gibt es etwa dreissig bis vierzig solcher Chaperone, die potenziell mit α-Synuclein interagieren können. Die Wissenschaftler haben systematisch auf atomarer Ebene untersucht, an welcher Stelle die molekularen Leibwächter mit dem α-Synuclein wechselwirken.

«Wir haben mithilfe hochmoderner NMR-Spektrometer ein spezifisches Muster entdeckt, das uns zeigt, wo genau die Chaperone mit α-Synuclein in Kontakt treten», erklärt Hiller. «Dabei handelt es sich nicht um eine feste, starre Verbindung, sondern um dynamische, ständig wechselnde Beziehungen.» In gesunden Zellen wird das Parkinson-Protein stets von Chaperonen begleitet. So bleibt es transportfähig und zudem besteht ein Pool, der den Bedarf an funktionstüchtigen α-Synuclein-Proteinen deckt.

Zellschäden durch Beziehungsprobleme

Schwerwiegende Folgen hat es, wenn die Chaperone ihrer Leibwächter-Funktion nicht mehr nachkommen können. Chemische Veränderungen am α-Synuclein beispielsweise, wie sie auch bei Parkinson zu beobachten sind, stören die Interaktion mit den Chaperonen. Dies führt dazu, dass sich «unbegleitete» α-Synuclein-Proteine an der Membran von Mitochondrien, den Zellkraftwerken, ansammeln und diese nach und nach zerstören. Wie erst kürzlich gezeigt wurde, bestehen die für Parkinson typischen Lewy-Körperchen zu grossen Teilen aus solchen Membrantrümmern von Mitochondrien und α-Synuclein.

Neues Aufgabengebiet von Chaperonen entdeckt

«Mit unserer Arbeit rütteln wir an dem Paradigma, dass Chaperone nur dazu da sind, um anderen Proteinen dabei zu helfen, ihre richtige Form zu finden», so Hiller. «Chaperone sind aber weit mehr als Faltungshelfer. Sie kontrollieren zelluläre Prozesse, indem sie mit einer Vielzahl von Proteinen flexible Beziehungen eingehen und sie wie ein Schatten begleiten.»

Das Verständnis über die molekularen Interaktionen sowie das Verhältnis der beteiligten Partner liefert wichtige Impulse zur Behandlung von Parkinson. Zukünftig sollten auch die Chaperone sowie die Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit bei der Entwicklung von Therapien in Betracht gezogen werden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Sebastian Hiller, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 20 82, E-Mail: sebastian.hiller@unibas.ch


Originalpublikation:

Björn M. Burmann, Juan A. Gerez, Irena Matečko-Burmann, Silvia Campioni, Pratibha Kumari, Dhiman Ghosh, Adam Mazur, Emelie E. Aspholm, Darius Šulskis, Magdalena Wawrzyniuk, Thomas Bock, Alexander Schmidt, Stefan G.D. Rüdiger, Roland Riek, Sebastian Hiller
α-Synuclein regulation by chaperones in mammalian cells
Nature (2019), doi: 10.1038/s41586-019-1808-9
https://www.nature.com/articles/s41586-019-1808-9


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW