Personalisierung der Strahlentherapie – längst erfolgt?

Personalisierung der Strahlentherapie – längst erfolgt?


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21.02.2020 16:00

Personalisierung der Strahlentherapie – längst erfolgt?

Der Strahlentherapeut personalisiert die Therapie bereits im Rahmen der anatomischen Dosisverteilung. Parameter wie Volumen, Hypoxie und Stammzelldichte gelten als Biomarker, die seit Jahren zur Individualisierung der Strahlentherapie eingesetzt werden. Auch molekulargenetische Biomarker werden getestet und zur Beantwortung der Frage, welche Patienten intensiviert behandelt werden müssen, herangezogen. Doch prognostische Parameter müssen nicht unbedingt prädiktiv sein – so die Erkenntnis aus neuen Studien zu HPV-assoziierten Karzinomen im Mund-Rachen-Bereich. Auch sollte der Hype um molekulargenetische Biomarker nicht den Blick für andere, durchaus ebenso gewichtige Faktoren verstellen.

„Die Strahlentherapie ist quasi eine der ersten personalisierten Krebstherapien.“ Mit dieser provokanten These eröffnete Professor Dr. Cordula Petersen, Hamburg, heute die Pressekonferenz der DEGRO auf dem Deutschen Krebskongress. „Der Strahlentherapeut personalisiert im Rahmen der anatomischen Dosisverteilung, Parameter wie Volumen, Hypoxie und Stammzelldichte gelten in der Strahlentherapie als Biomarker, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten zur Personalisierung der Strahlentherapie herangezogen werden“. Wie die Expertin hervorhebt, wird oft nicht verstanden, dass es auch Biomarker jenseits der molekularen Signatur der Tumorzellen gibt – dabei kommen immer mehr dazu und werden bei der Therapieentscheidung zunehmend miteinbezogen.

Auch molekulare Biomarker erhalten Einzug in die Strahlentherapie – wenn auch noch in einem geringeren Umfang als in der medikamentösen Turmortherapie. Wichtig ist zu untersuchen, ob diese molekularen Biomarker einen rein prognostischen oder auch prädiktiven Wert haben.

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Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
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Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Prognostische vs. prädiktive Biomarker am Beispiel HPV-Status bei Krebs im Mund-Rachen-Bereich
So zeigte sich beispielsweise, dass Oropharynx-Tumoren (Krebs im Mund-Rachen-Bereich), die durch eine Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) entstanden sind und dadurch eine andere molekulargenetische Signatur haben, viel strahlensensibler sind als Oropharynx-Tumoren, die durch Nikotin und Alkohol ausgelöst wurden. Auch haben die HPV-assoziierten Karzinome im Mund-Rachen-Bereich generell eine deutlich bessere Prognose [1, 2]. Der HPV-Status ist somit ein prognostischer Biomarker – allerdings kein prädiktiver für die Strahlentherapie, wie Studien im vergangenen Jahr [2, 3] gezeigt haben. Zum Hintergrund: Prognostische Biomarker geben Auskunft über den Verlauf der Erkrankung, prädiktive Biomarker geben Hinweise auf das zu erwartende Therapieansprechen. Man hatte gehofft, dass Tumoren mit HPV-positivem Status nicht nur einen günstigeren Verlauf haben, sondern auch besser auf die Strahlenchemotherapie ansprechen, weshalb Studien initiiert wurden, die prüften, ob eine vermeintlich „sanftere“ Kombinationstherapie (bei der die Chemotherapie mit Cisplatin durch den Antikörper Cetuximab ersetzt und dann mit der Strahlentherapie kombiniert wurde) bei diesen Patienten ebenso wirksam ist. Diese Hoffnung wurde enttäuscht: In einer Studie an 849 Patienten aus den USA und Kanada [2] betrug das 5-Jahres-Gesamtüberleben 77,9% in der Gruppe, die den Antikörper zur Strahlentherapie erhalten hatte, und 84,6% in der mit der herkömmlichen Strahlenchemotherapie mit Cisplatin behandelten Gruppe. Dort war auch das progressionsfreie Überleben signifikant höher. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam eine zweite Phase-3-Studie [3]. „Heute wissen wir, dass eine aus prognostischer Sicht günstige HPV-Positivität kein prädiktiver Biomarker ist und somit noch kein alleiniges Kriterium für eine Therapie-Deeskalation sein kann. Diese Patienten müssen immer noch ebenso aggressiv behandelt werden wie die übrigen“, so die Expertin.

Tumormutationslast als Biomarker bei Kopf-Hals-Krebs
Wie eine Studie aus Deutschland [4] zeigte, ist die Mutationslast des Tumors möglicherweise ein prädiktiver Biomarker, um zu entscheiden, welche Patienten mit lokal fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren (Head and Neck Squamous Cell Carcinoma, HNSCC) mit einer kombinierten Strahlenchemotherapie plus Immuntherapie behandelt werden sollten (statt nur mit einer Strahlenchemotherapie). Die Studie validierte die Tumormutationslast (=TMB, ein Biomarker, der die Zahl der krankhaften Mutationen erfasst) an einem Multi-Gen-Panel mit 327 untersuchten Genen. Eine hohe Tumormutationslast ging mit einer schlechten Prognose einher und stratifizierte, so die Meinung der Studienautoren, Patienten, die von einer Checkpointinhibitor-Therapie nach einer Strahlenchemotherapie profitieren könnten. Ob das wirklich der Fall ist und die Tumormutationslast bei Patienten mit HNSCC tatsächlich ein prädiktiver Biomarker ist, muss nun in klinischen Studien nachgewiesen werden. Bereits 2016 hatte eine Erhebung [5] die These untermauert, dass mit Hilfe der TMB Patienten identifiziert werden könnten, die mit höherer Wahrscheinlichkeit von einer Checkpointinhibitortherapie (= Anti-PD-1-/Anti-PD-L1-Therapie) profitieren. Weitere mögliche Biomarker für HNSCC-Patienten sind laut Ansicht der deutschen Studienautoren [4] JAK1, JAK2, MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2.

Für die Personalisierung der Strahlentherapie sind nicht nur molekulargenetische Biomarker von Bedeutung
Wie Professor Petersen betonte, sind aber nicht nur diese molekulargenetischen Biomarker von Bedeutung, wenn es um die personalisierte Strahlentherapie geht. „Der Hype um diese molekulargenetischen Biomarker verstellt oft den Blick für andere, durchaus ebenso gewichtige Faktoren“. Eine aktuell pulizierte retrospektive Studie [6] wertete den Therapieerfolg bei 184 Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren (HNSCC) über 65 Monate aus. Alle hatten eine Strahlentherapie mit 70 Gy und 90,2% der Studienteilnehmer zusätzlich eine simultane Chemotherapie mit 5-FU erhalten. In der Studie wurde rückblickend analysiert, welche Kriterien mit einem besseren Outcome einhergingen. Neben der HPV-Positivität bei Oropharynx-Tumoren ging eine geringe Tumormasse mit einer besseren lokalen Kontrollrate sowie mit einem höheren Überleben (krankheitsfreies Überleben und Gesamtüberleben) einher. Geringere Hämoglobin (Hb-)Spiegel korrelierten mit einem eingeschränkten krankheitsfreien Überleben und Gesamtüberleben. Die Autoren schlussfolgern, dass die prätherapeutischen Hb-Spiegel somit ein prognostisch relevanter Biomarker sind.

Forschungsprogramm “Strahlentherapie und Bildgebung” im DKTK: Personalisierung als Ziel
Neue, vielversprechende Ergebnisse aus der Krebsforschung sollen möglichst schnell in die klinische Entwicklung und Anwendung gelangen. Zur Unterstützung dieses Ziels wurde im Jahr 2012 das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung, kurz DKTK, als eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) gegründet. Mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) als Kernzentrum kooperieren mehr als 20 akademische Forschungseinrichtungen und Universitätskliniken an sieben Partnerstandorten.

Das DKTK-Programm Forschungsprogramm „Strahlentherapie und Bildgebung” hat das Ziel, die Radiotherapie technisch so zu optimieren, dass sie auf die individuellen Bedürfnisse der Krebspatienten abgestimmt werden kann. Zu den Programmaktivitäten gehören:
– Translationale klinische Studien zur Partikeltherapie und personalisierter Krebstherapie
– Entwicklung und präklinische Prüfung neuer Technologien (z.B. Bildgebung mit Teilchenstrahlen, Laserbeschleunigung)
– Biomarker und Bio-Imaging-Methoden für die radiobiologische Stratifizierung von Patienten
– Prüfung neuer Kombinationstherapien und Durchführung präklinischer Studien
Weitere Informationen unter https://dktk.dkfz.de/de/home

Literatur
[1] Tribius S, Hoffmann M. Infektionen mit humanen Papillomaviren bei Kopf-Hals-Karzinomen. Dtsch Arztebl Int 2013; 110 (11): 184-90
[2] Gillison ML, Trotti AM, Harris J et al. Radiotherapy plus cetuximab or cisplatin in human papillomavirus-positive oropharyngeal cancer (NRG Oncology RTOG 1016): a randomised, multicentre, non-inferiority trial. Lancet. 2019 Jan 5;393(10166):40-50. doi: 10.1016/S0140-6736(18)32779-X.
[3] Mehanna H, Robinson M, Hartley A et al. Radiotherapy plus cisplatin or cetuximab in low-risk human papillomavirus-positive oropharyngeal cancer (De-ESCALaTE HPV): an open-label randomised controlled phase 3 trial. Lancet. 2019 Jan 5;393(10166):51-60. doi: 10.1016/S0140-6736(18)32752-1.
[4] Eder T, Hess AK, Konschak R et al. Interference of tumour mutational burden with outcome of patients with head and neck cancer treated with definitive chemoradiation: a multicentre retrospective study of the German Cancer Consortium Radiation Oncology Group. Eur J Cancer. 2019 Jul;116:67-76. doi: 10.1016/j.ejca.2019.04.015.
[5] Johnson DB, Frampton GM, Rioth MJ et al. Targeted Next Generation Sequencing Identifies Markers of Response to PD-1 Blockade. Cancer Immunol Res. 2016 Nov;4(11):959-967
[6] Schüttrumpf L, Marschner S, Scheu K et al. Definitive chemoradiotherapy in patients with squamous cell cancers of the head and neck – results from an unselected cohort of the clinical cooperation group “Personalized Radiotherapy in Head and Neck Cancer”. Radiat Oncol. 2020 Jan 6;15(1):7. doi: 10.1186/s13014-019-1452-4.

DEGRO-Pressestelle
Dr. Bettina Albers
Tel. 03643/ 776423
Mobil 0174/2165629
albers@albersconcept.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch


Quelle: IDW