Post-COVID-Studie: Nervensystem nimmt selten Schaden



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02.09.2022 12:11

Post-COVID-Studie: Nervensystem nimmt selten Schaden

Bis zu 10% der COVID-Patient:innen entwickeln nach überstandener Akutinfektion ein Post-COVID-Syndrom, also über Wochen und Monate anhaltende Beschwerden. Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Essen (Klinik für Neurologie; LVR-Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) hat sich nun 171 Erkrankte mit Post-COVID genauer angesehen und festgestellt, dass das Nervensystem in den meisten Fällen nicht dauerhaft geschädigt ist. Bei 86% der Personen war die neurologische Untersuchung komplett unauffällig. Ein Zusammenhang zwischen der akuten COVID-Infektion und dem Auftreten von Langzeitfolgen ließ sich sogar nur in ca. 2% herstellen. Die Ergebnisse wurden soeben veröffentlicht.*

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Von den über 200 Post-COVID-Symptomen liegen viele im Bereich des Nervensystems, darunter sind Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, „Gehirnnebel“ oder Kopfschmerzen. „Unsere Daten zeigen, dass obwohl viele Betroffene über neurologische Beschwerden klagen, sich diese in der neurologischen Untersuchung so gut wie nie objektivieren lassen. Selbst im MRT des Gehirns oder in der Nervenwasseruntersuchung finden sich zumeist keine bleibenden Folgen der COVID-Infektion“, erklärt Prof. Dr. Dr. Mark Stettner, Leiter der Post-COVID Ambulanz an der Klinik für Neurologie.

Eine gute Nachricht. Aber woher kommen die Symptome dann? Um das zu klären, hat das Forschungsteam die Betroffenen auch intensiv psychologisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass psychiatrische Vorerkrankungen wie eine Depression oder eine Angststörung das Risiko für Post-COVID signifikant erhöhen. Außerdem waren Tests, die auf eine psychosomatische Symptomursache hinweisen, bei vielen auffällig, insbesondere bei Frauen.

„Wir glauben daher, dass psychologische Mechanismen für die Entstehung des Post-COVID Syndroms wichtig sind. Man weiß seit Jahrhunderten, dass Körper und Geist eine Einheit bilden und sich übermäßiger Stress, ein seelischer Konflikt oder eine Depression in körperlichen Beschwerden ausdrücken kann. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich die Patient:innen die Symptome nur einbilden“, betont Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz, Direktor der Klinik für Neurologie. Ganz im Gegenteil: Eine gründliche neurologische Untersuchung lohnt sich in jedem Fall. „Wir haben einige Überraschungen erlebt. So fanden wir bei Menschen, die dachten an Post-COVID zu leiden, am Ende eine Multiple Sklerose, eine Gehirnhautentzündung oder eine Migräne.“

Gemeinsam mit den Psychosomatik-Fachleuten wollen die Neurolog:innen nun weiter an psychologischen Ursachen von Post-COVID forschen und zielgerichtete Therapien entwickeln.

* Originalveröffentlichung in: Neurology and Therapy. https://doi.org/10.1007/s40120-022-00395-z


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz, Direktor der Klinik für Neurologie, christoph.kleinschnitz@uk-essen.de


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1007/s40120-022-00395-z


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW